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Das Echo der Vergangenheit

Das Echo der Vergangenheit

Titel: Das Echo der Vergangenheit
Autoren: Kristen Heitzmann
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Gefühl konnte dort bleiben, wo es war. Sie wollte es so.

    * * *

    Matt stand auf dem Gang bei seiner zitternden Mutter. Er hatte gesagt, was er sagen wollte, aber es fühlte sich nicht so gut an, wie er gedacht hatte. Es fühlte sich eher an wie ein Tiefschlag und er hatte nie mit unfairen Mitteln gekämpft, sondern sich und andere nur verteidigt. Oder etwa nicht?
    Die Muskeln seines Kiefers verkrampften sich. Es war zu einfach gewesen, sich überlegen zu fühlen und Jacky die Rolle der Enttäuschung zu überlassen. Zu einfach, den Champion zu spielen, anstatt Jacky beizubringen, wie er sich selbst verteidigen konnte. Er hatte von Jackys Schwäche profitiert, von seiner Bedürftigkeit, seiner Bewunderung. Nachdem er richtig erkannt hatte, dass er bei beiden Eltern nicht sicher war, hatte er sich ganz auf seinen Bruder verlassen. Und ihm hatte das gefallen.
    Ein Schmerz durchfuhr ihn. Dad hatte sie beide zu hart rangenommen, aber es war nicht die Ablehnung seines Vaters gewesen, die Jacky zerbrochen hatte, sondern seine eigene.
    Seine Mutter rang die Hände. »Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen würde.«
    Sie wusste nicht, was er getan hatte, dass er diese Krise verursacht hatte. Er stand schweigend da und wusste, dass es so bleiben würde, wenn er es zuließ. Er und Dad würden sich von Mann zu Mann damit auseinandersetzen – wenn er durchkam. Aber als sie ihn in den OP brachten, Stunden vor dem geplanten Termin, sagte er: »Ich habe ihn aufgeregt.«
    »Oh nein, Schätzchen.«
    »Doch. Ich habe ihn wegen Jacky zur Rede gestellt.«
    Sie blickte zu ihm auf. »Du …«
    »Ich habe zu ihm gesagt, dass es kein Unfall war. Dass er Jacky vor diesen Zug getrieben hat.«
    Sie presste eine Hand auf ihren Mund. »Was?«
    »Aber in Wirklichkeit waren wir es alle. Wenn einer von uns sich so verhalten hätte, wie dieser leidende Junge es gebraucht hätte, dann wäre er heute noch am Leben.«
    »Du meinst doch nicht …«
    Matt schluckte. Er hatte sie nicht noch mehr aus der Fassung bringen wollen. Aber vielleicht blieb ihm jetzt nichts anderes übrig, als es durchzuziehen. »Wenn du Dads Misshandlungen nicht geleugnet hättest und ich nicht davon profitiert hätte, wenn Dad seine Macht nicht wie ein gottgegebenes Recht missbraucht hätte, wäre Jacky vielleicht nicht so verzweifelt gewesen.«
    »Bitte. Hör auf.«
    Er wünschte, er könnte. »Du weißt doch genau, dass es kein Unfall war. Wir kannten das Feld, diese Gleise, sogar den Fahrplan der Züge.« Er schüttelte den Kopf. »Jeder von uns hätte es verhindern können, aber wir haben es nicht getan.«
    Sie hatte Tränen in den Augen. »Warum tust du das?«
    »Weil du eine Lüge lebst. Und du hast die Wahrheit verdient.«
    Sie schlug die Hände vors Gesicht. »Ich war doch gar nicht zu Hause. Ich habe doch nicht gesehen ...«
    »Du hast es neun Jahre lang gesehen. Es war nur einfacher für dich, wegzusehen.«
    Sie sackte in sich zusammen. Er fing sie auf. Er war jetzt in Fahrt und stellte beide Eltern zur Rede, während sie besonders verletzlich waren. Aber es war keine Rache. Der rechtschaffene Zorn, den er verspürt hatte, und die Selbstgerechtigkeit waren verflogen und alles, was er jetzt wollte, war Friede. Der Friede hatte einen Preis und der Preis war die Wahrheit. Aber die Wahrheit hatte auch ihren Preis. Dieser Preis war die Liebe. Er war hierhergekommen, um sie zur Rede zu stellen. Jetzt musste er die Wunden wieder heilen. Möge Gott ihm helfen, er musste ihnen vergeben.
    Er half seiner Mutter auf einen Stuhl und kauerte sich vor sie auf den Boden. »Hör mir zu, Mom.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Du hast genug gesagt.«
    »Mehr, als du hören wolltest, ich weiß. Du wirst damit machen, was du willst.« Wahrscheinlich malte sie es schon jetzt in einem anderen Licht. »Aber es gibt noch etwas, das ich dir sagen muss.«
    Sofie hatte gelernt, nicht nachtragend zu sein, weil es die Wunde nur noch tiefer werden ließ. Der Groll, den er seinen Eltern entgegengebracht hatte, hatte einen Schorf über seinem eigenen Verrat gebildet. Er hatte eine symbolische Schuld davongetragen, die gegen die ihre verblasste und in gewisser Weise ein Ehrenabzeichen geworden war. Vielleicht trug er weniger Verantwortung, weil er noch ein Kind gewesen war, das tyrannisiert worden und auf seine eigene Abwehr zurückgeworfen gewesen war, aber es war an der Zeit, dass er damit aufhörte, anderen die Schuld zu geben, und stattdessen versuchte, Heilung zu bringen, soweit er es
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