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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume
Autoren: Maria Duenas
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Serrano Suñer war für Franco von großem Nutzen, ja, doch irgendwann zog er zu viel Macht an und zu viel Hass auf sich. Er wurde für alle zur Belastung, zumal auch der Sieg der Deutschen, die er mit so großer Begeisterung unterstützte, zunehmend fraglich wurde. Deshalb habe der Caudillo, heißt es, den Vorfall mit den Falangisten dafür genutzt, ihn sich vom Hals zu schaffen und ihm bei dieser Gelegenheit auch gleich den Schwarzen Peter zuzuschieben, nämlich ihn als einzigen Verantwortlichen für die Sympathie der Spanier gegenüber den Achsenmächten hinzustellen.
    Das war inoffiziell die offizielle Version der Vorgänge. Und die Menschen glaubten sie, mehr oder weniger. Ich jedoch erfuhr, dass es noch einen anderen Grund gab, der vielleicht sogar schwerer wog als die internen politischen Spannungen, Francos überstrapazierte Geduld und der Krieg in Europa. Ich erfuhr davon, ohne aus dem Haus gehen zu müssen, in meinem Atelier, von meinen Kundinnen, den Spanierinnen aus der Aristokratie, die einen immer größeren Teil meiner Kundschaft ausmachten. Ihnen zufolge war der wahre Urheber von Serrano Suñers Sturz Carmen Polo, die Señora, Francos Ehefrau. Sie sei, erzählten die Damen, empört darüber, dass der Vater des Mädchens mit den Katzenaugen, das die hübsche und arrogante Marquesa de Llanzol am 29. August zur Welt gebracht hatte, im Unterschied zu ihren anderen Sprösslingen nicht ihr eigener Ehemann, sondern Ramón Serrano Suñer war, ihr Geliebter. Die Demütigung, die ein solcher Skandal sowohl für Serrano Suñers Gattin – Zita Polo, die Schwester von Doña Carmen – als auch für die gesamte Familie Franco Polo bedeutete, übertraf alles, was die Gattin des Caudillo bereit war zu ertragen. Also trat sie ihren Ehemann dort, wo es am meisten wehtat, bis sie ihn überzeugt hatte, dass er seinen Schwager besser entließ. Der Rauswurf aus allen Ämtern ließ nicht lange auf sich warten. Drei Tage brauchte Franco, bis er es ihm unter vier Augen mitteilte, einen Tag später war es offiziell. Von diesem Tag an war Serrano Suñer totally out, wie Rosalinda gesagt hätte. Candelaria die Schmugglerin hätte es ein wenig burschikoser formuliert: Den hat man hochkant rausgeschmissen.
    Man munkelte, dass er bald als Botschafter nach Rom geschickt werde und nach einiger Zeit vielleicht wieder einen Posten in der Regierung erhalte. Aber dazu kam es nicht. Sein Schwager sollte ihn zeitlebens mit aller Konsequenz übergehen. Zu seiner Entlastung muss man jedoch sagen, dass er sein langes Leben in würdevoller Zurückhaltung verbrachte, dabei seinen Beruf als Anwalt ausübte, sich an privaten Unternehmen beteiligte, Beiträge für Zeitungen verfasste und – ein wenig geschönte – Erinnerungsbücher schrieb. Nach dem Zerwürfnis erlaubte er sich sogar hin und wieder, seinem Schwager die Notwendigkeit tiefgreifender Reformen nahezulegen, was er stets öffentlich tat. Seinen Überlegenheitskomplex verlor er nie, aber im Gegensatz zu vielen anderen erlag er auch nicht der Versuchung, sich zum eingefleischten Demokraten zu erklären, als das Blatt sich wendete. Im Laufe der Jahre erwarb er sich beim spanischen Volk einen gewissen Respekt. Er starb wenige Tage vor seinem hundertzweiten Geburtstag.
    Mehr als drei Jahrzehnte nachdem er Beigbeder sein Amt auf äußerst gehässige Art entrissen hatte, fand Serrano Suñer in seinen Memoiren einige Zeilen der Wertschätzung für ihn: » Er war ein eigenwilliger, einzigartiger Mensch, weit gebildeter als der Durchschnitt, zu tausend Verrücktheiten fähig«, schrieb er. Er kam damit zu spät.
    Am 8. Mai 1945 kapitulierte Deutschland. Wenige Stunden später wurden die deutsche Botschaft in Madrid und alle übrigen Einrichtungen Deutschlands offiziell geschlossen und dem Außen- und Innenministerium übergeben. Dennoch hatten die Alliierten bis zur Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde am 5. Juni desselben Jahres keinen Zugang zu diesen Immobilien. Als die britischen und amerikanischen Behörden schließlich die Gebäude betreten konnten, von denen aus die Nazis in Spanien agiert hatten, fanden sie nur noch die Reste einer gründlichen Plünderung vor: die Wände kahl, die Büros ohne Möbel, die Archive verbrannt, die Tresore offen und leer. Um bei ihrem überstürzten Abgang keine Spuren zu hinterlassen, hatten sie sogar die Lampen mitgenommen. Und das alles vor den nachsichtigen Augen der Mitarbeiter des spanischen Innenministeriums, die mit der Bewachung betraut waren.
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