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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume
Autoren: Maria Duenas
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er noch einmal einen seiner genialen Einfälle: Er wollte seine letzten Jahre an einem Ort mit Blick auf Marokko verbringen. Nicht im Land selbst, sondern es aus der Ferne betrachtend. Dorthin zurückkehren wollte er nicht mehr, es gab ja kaum noch jemanden von denen, die seine beste Zeit mit ihm geteilt hatten. Seit einem Jahr existierte das Protektorat Spanisch-Marokko nicht mehr, Marokko hatte seine Unabhängigkeit wiedererlangt. Die Spanier waren abgezogen, und von seinen marokkanischen Freunden lebten nur noch wenige. Er wollte nicht zurück nach Tetuán, aber doch seine Tage dort verbringen, wo jenes Land den Horizont bildete. Und so war seine Bitte an sie: Geh in den Süden, Rosalinda, such für uns einen Platz mit Blick auf das Meer.
    Und sie fand ihn. Guadarranque. Ganz unten im Süden. In der Bucht von Algeciras, gegenüber der Meerenge, mit Blick auf Nordafrika und Gibraltar. Sie kaufte ein Haus und Land, ging nach England zurück, um einige Angelegenheiten dort zu regeln, ihren Sohn zu sehen und sich einen anderen Wagen zu besorgen. Zwei Wochen später wollte sie nach Spanien zurückkehren, Juan Luis abholen und sich mit ihm auf den Weg in ein neues Leben machen. Am zehnten Tag ihres Aufenthalts in London kam ein Telegramm aus Spanien, dass er gestorben sei. Es zerriss ihr das Herz, und zum Gedenken an ihn beschloss sie, sich allein in dem Haus einzurichten, das ihr neues, gemeinsames Zuhause hätte sein sollen. Und dort lebte sie bis zu ihrem Tod mit dreiundneunzig Jahren, ohne jemals ihre besondere Fähigkeit zu verlieren: immer wieder aufzustehen, und wenn sie tausend Mal gestürzt war, sich den Staub von den Kleidern zu klopfen und energisch voranzuschreiten, als wäre nichts geschehen. So hart die Zeiten auch sein mochten, sie verlor niemals ihren Optimismus, mit dem sie alle Schicksalsschläge abfangen konnte und in den sie sich flüchtete, um die Welt immer von der Seite sehen zu können, auf der die Sonne heller scheint.
    Vielleicht fragen Sie sich auch, lieber Leser, was denn aus Serrano Suñer wurde. Ich will es Ihnen gerne erzählen. Im Juni 1941 griffen die Deutschen Russland an, und er, entschlossen, die guten Freunde im Dritten Reich mit aller Kraft zu unterstützen, stellte sich in seinem makellosen weißen Leinenanzug und dem Aussehen eines Filmgalans auf den Balkon des Generalsekretariats der Falange in der Calle Alcalá und brüllte: » Russland ist schuld!« Dann stellte er die sogenannte » Blaue Division« auf, eine Karawane unglückseliger Freiwilliger, ließ den Madrider Nordbahnhof mit Nazi-Fahnen schmücken und schickte Tausende von Spaniern, in Züge gepfercht, nach Russland, damit sie ihr Leben an der Seite der Achsenmächte in einem Krieg aufs Spiel setzten, der nicht der ihre war und für den ihn kein Mensch um Unterstützung gebeten hatte, oder um elendiglich zu erfrieren.
    Als Deutschland den Krieg verlor, war er nicht mehr im Amt. Am 3. September 1942, zweiundzwanzig Monate und siebzehn Tage nach Beigbeder und mit exakt denselben Worten, verkündete der staatliche Anzeiger seine Entlassung aus allen Ämtern. Der Grund für den Sturz des cuñadísimo war angeblich ein Vorfall, in den Karlisten, Angehörige der Armee und Mitglieder der Falange verwickelt waren. Es gab eine Bombe, Dutzende von Verletzten und zwei Entlassungen: Der Falangist, der die Bombe geworfen hatte, wurde exekutiert, und Serrano Suñer als Präsident der Junta Política der Falange abgesetzt. Unter der Hand kursierten jedoch andere Geschichten.
    Die Stützung von Serrano Suñer kostete Franco offenbar einen zu hohen Preis. Gewiss, der brillante Schwager hatte es auf sich genommen, die Strukturen des Regimes zu schaffen. Gewiss, er hatte auch einen Großteil der schmutzigen Arbeit erledigt. Er baute die Verwaltung des Neuen Spaniens auf und dämmte den Ungehorsam und die Unverschämtheiten der Falangisten gegenüber Franco ein, den sie zutiefst verachteten. Er machte sich Gedanken, organisierte, gab Anordnungen und trat an allen Fronten der Innen- und Außenpolitik in Erscheinung. Er arbeitete so viel, mischte sich so sehr ein, und das alles mit so großem Eifer, dass er schließlich allen auf die Nerven ging. Die Militärs hassten ihn, und dem Mann auf der Straße war er schrecklich unsympathisch, so sehr, dass das Volk ihm sogar die Schuld an allen Übeln Spaniens gab, von den steigenden Eintrittspreisen für Kino und kulturelle Veranstaltungen bis zu der Dürre, die das Land in jenen Jahren heimsuchte.
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