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Das dunkle Lied des Todes

Das dunkle Lied des Todes

Titel: Das dunkle Lied des Todes
Autoren: Bjarne Reuter
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Kelbergs Vorschlag. Damit ich sie live erleben könnte.«
    Eva schaute ihre Zigarette an.
    »Ach ja, das Konzert. Das hab ich nicht geschafft. Waren sie gut? Natürlich waren sie gut.«
    »Sie haben Pachelbels Kanon in D-Dur gespielt. Ja, und es war einfach allererste Sahne. Ich hab kurz mit zweien von ihnen sprechen können. Franz und Gustav. Zwei spannende Burschen. Überaus beredt, überaus entgegenkommend. Begabte Knaben.«
    Eva lächelte.
    »Also fangen wir an. Franz Malbeck«, Eva zeigte auf einen dunkelhaarigen Jungen mitten auf dem Klassenfoto, »er ist ehrgeizig, eher ehrgeizig als eigentlich musikalisch. Seine Eltern halten ihn für ein gottbegnadetes Talent, und das ist er vielleicht auch, aber nicht auf der Geige. Er hat in der Gruppe viel zu sagen. Einige fürchten sich geradezu vor ihm. Gustav, unter anderem. Gustav ist der schmächtige Junge ganz rechts, er ist ein schwacher, aber lieber Junge, ein wenig neurotisch, hat früher heftig gestottert. Träumt davon, ein weltberühmter Opernsänger zu werden. Und jetzt kommen wir zu dem Eigenartigsten unter ihnen. Sein Name ist Blumendorph, Julius Blumendorph.«
    »JB«, Bromsen schnitt eine Grimasse. »Ich hatte bereits das Vergnügen. Witziger Typ, redet ununterbrochen. Der übergewichtige Junge in der Gruppe. Der klassische Prügelknabe.«
    »Mach da ja keinen Fehler.« Eva drückte die Zigarette aus. »Julius ist sehr viel mehr als das. Er ist klug und wehleidig und bei den Mädchen nicht sonderlich beliebt, aber Julius ist einer, der durchkommt, der eine Art perverser Freude darin findet, der abstoßende Junge in der Klasse zu sein. Man kann ihn als den selbst ernannten Clown bezeichnen, aber er ist nicht so oberflächlich, wie er tut. Wenn er nicht so faul wäre, könnte er es weit bringen, denn er ist ein musikalisches Genie. Außerdem hat er eine skalpellscharfe Zunge und ein Wissen wie ein Lexikon.«
    »Eine gefährliche Kombination.«
    »Explosiv. Er ist überaus belesen und zitiert gern Shakespeare mit der Stimme von Elmer Fudd. Das kann sehr witzig sein, aber auch unglücklich ermüdend. Er nimmt sehr viel Platz ein, nicht nur psychisch, sondern in jeglicher Hinsicht. Wenn man Julius dazu bringen will zu schweigen, muss man ihn auffordern, die Fresse zu halten. Wenn du verstehst, was ich meine. Davon mal abgesehen, dass wir uns nicht so ausdrücken.«
    Eva zeigte auf die Zwillinge, die nebeneinander in der ersten Reihe standen.
    »Johan und Filip. Sagen nicht sehr viel. Fleißig und umgänglich, aber keine Ambitionen, was das Konservatorium angeht. Dass sie auf die Mozartschule gehen, liegt vor allem an ihren Eltern, die in den Sechzigerjahren hier waren. Die Zwillinge stehen mehr auf Sport, Filip auf Tennis und Johan auf Schwimmen. Ein wenig eigen, einwenig in sich gekehrt, aber schon in Ordnung. Neben ihnen stehen unsere beiden Fotomodelle, die Busenfreundinnen Vibe und Tineke. Haben nur Klamotten, Jungs und Partys im Kopf. Begabt auf ihre eigene selbstsüchtige Weise. Du kennst den Typ: immer sonnengebräunt, immer mit den letzten Markenklamotten, die Eltern haben Geld und die Welt ist fies zu mir. Vielleicht tue ich ihnen unrecht, denn sie sind bienenfleißig und endlos ehrgeizig, und Tineke kann wirklich etwas auf der Bratsche.«
    »Ja, das hab ich gehört.«
    »Sie sind wohl so, wie solche immer sind. Platz an der Sonne, privilegiert. Kommen sich besser vor als der Rest der Klasse, den sie für restlos kindisch halten. Sie haben natürlich versucht, sich zu drücken. Wollten nicht mit auf die Klassenreise, allein die Vorstellung von einem alten Haus ohne modernen Komfort war entsetzlich für sie. ›Was sollen wir denn da auf dem Muhkuhland? Da verfaulen wir doch schon an den ersten zwei Tagen.‹ Sollen sie also verfaulen. Ein bisschen Fäule wird ihnen guttun.«
    Eva drehte sich auf dem Sofa um, als eine Tür geöffnet wurde.
    Willy Kelberg kam mit einem Na-ihr-macht-es-euch-hier-wohl-gemütlich-Lächeln auf sie zu.
    »Bereit zum Aufbruch mit unserem hoffnungsvollen Nachwuchs?«
    Der Schulleiter rieb sich die Hände und wippte heftig auf den Fußballen hin und her.
    Bromsen gab ihm die Hand. Es sah ein wenig unbeholfen aus.
    »Ich beneide euch. Prachtvolle Klasse.« Kelberg starrte vor sich hin. »Lauter Genies, jaja, vielleicht nicht alle, aber doch die meisten. Hier in der Schule sagen wir immer, es ist ein Privileg, mit solchem Schülermaterial zu arbeiten. Der auserlesene Jahrgang. Hab ich recht, Eva?«
    »Unbedingt, vor allem, was
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