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Das dunkle Lied des Todes

Das dunkle Lied des Todes

Titel: Das dunkle Lied des Todes
Autoren: Bjarne Reuter
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weggeflogen war.
    »Außerhalb der Saison«, sagte sie und kam sich plötzlich sehr klein vor.
    »Und ich hasse Möwen!«
    Aber es war wichtig, einen Laden in Reichweite zu haben. Wo sollten sie sonst einkaufen? Der nächste größere Ort war dreißig Kilometer entfernt. Bekannt wegen seines Museums, seiner Stadtmauer und seines düsteren Doms. Einen Ausflug wert, aber nicht, um Milch zu kaufen.
    »Ich hätte eine Flasche Rotwein mitbringen sollen. Aber diese Zeiten sind vorbei. Allerdings, ein Glas vor dem Schlafengehen ist nicht das Schlechteste.«
    Sie ließ den Motor an und fuhr noch zwei Kilometer, bis die Küstenstraße nach links abbog. Das Land öffnete sich für die letzten Sonnenstrahlen und plötzlich waren sie da: die drei schwarzen Windmühlen, Burgsvigs Wahrzeichen. Sie sahen nicht wie typische Mühlen aus. Diese hier waren ziemlich klein, fast gedrungen, mit gezackten Flügeln, von deren ehemaliger Leinenbespannung nur noch traurige Reste im Wind flatterten. Das Nächste hier, was Schutz vor Wind und Wetter bot, war die erste Dünenreihe, deshalb war es natürlich, eine Mühle aufzustellen, auch wenn das Wort aufstellen nicht ganz richtig wirkte, da die Mühlen wie etwas aussahen, das aus eigenem Willen aus dem Erdboden gewachsen war.
     
    Der Laden lag auf der anderen Straßenseite. Ein schwarz gestrichenes Holzhaus und eine einsame Zapfsäule, wie man sie längst für ausgestorben halten würde. An einem Ständer schaukelte ein rostiges Eisenschild mit der Aufschrift »Offen« hin und her.
    Eva lächelte und hielt vor der Tür. Konnte es fast nicht abwarten, Tineke und Vibe diese Rarität vorzuführen.
    Ein Glöckchen bimmelte, als sie eintrat, der Geruch alter Zeiten empfing sie, eine Mischung aus Sägespänen und frisch gemahlenem Kaffee. Die Auswahl in den Regalen war sehr begrenzt, aber immerhin gab es frischeMilch, Eier, Cornflakes und Kaffee. An der Wand hingen ein Jugendbild von König Frederik und Königin Ingrid und ein Zeitungsausschnitt über Lassie.
    Eva fuhr auf dem Absatz herum, als sie hörte, wie ein Vorhang zur Seite gezogen wurde.
    Der Kaufmann war groß und breit, er hatte ein scharf gezeichnetes Gesicht und einen Ausdruck in den Augen, der zu vermitteln schien, dass sie ihn störe, dass er jedoch an Störungen gewöhnt sei und dass Störungen ein Teil des Daseins seien, mit dem er sich abgefunden habe.
    »Womit kann ich behilflich sein?«
    Eva unterdrückte ein kleines Lächeln und antwortete, ohne mit der Wimper zu zucken:
    »Eine Packung Zigaretten ohne Filter, wenn möglich Senior Service, drei Schachteln Streichhölzer, einen Liter Bio-Magermilch, ein Pfund Kaffee und, falls Sie das haben, zwei Dortmunder.«
    Ohne eine Miene zu verziehen, stellte der Mann die Waren auf den Tresen, auch das starke Bier, das Evas Versuch gewesen war, witzig zu sein.
    »Darf es sonst noch etwas sein?«
    »Haben Sie Knäckebrot?«
    »Nur eine Packung?«
    »Ja, bitte. Senior Service bekommt man nicht mehr oft.«
    Eva lächelte den Kaufmann an, aber der starrte auf einen Punkt über ihrem Kopf.
    »Sonst noch?«
    »Kennen Sie ein Haus namens Pemba?«
    »Pemba?«
    »Ja, Pemba, das soll hier in der Nähe liegen.«
    »Ja, das tut es auch.«
    »Ist es vielleicht weit von hier?«
    Der Mann nahm eine Packung Knäckebrot aus dem Regal.
    »Drei Kilometer und zweihundert Meter. Wollen Sie dahin?«
    »Ja, ich habe es für eine Woche gemietet. Meine Schüler kommen morgen.«
    »Na gut«, der Kaufmann lutschte an seiner Bleistiftspitze.
    »Es soll ganz am Wasser liegen.«
    »Das tut es auch. Ganz weit draußen am Strand.«
    »Das klingt ja gut«, Eva lächelte. »Ich meine, gut für uns aus der Großstadt.«
    Der Bleistift steckte wieder hinter dem Ohr.
    »Sonst noch?«
    Eva schüttelte den Kopf, erst jetzt ging ihr auf, dass der Mann einen Akzent hatte, er schien seine Muttersprache mit zehn Prozent Finnisch gemischt zu haben. Er hatte auch etwas unverkennbar Finnisches an sich. Etwas von Wald und Tundra und Schwermut. Vielleicht aber hatte seine Depression sich einfach in seinen Stimmbändern niedergeschlagen.
    Während er die Preise zusammenzählte, erkundigte Eva sich nach den Windmühlen.
    »Drehen die sich nie?«
    »Nein, die drehen sich nie.«
    »Auch nicht bei Wind?«
    »Wir hatten einmal einen Orkan. Das war im März 1937.   Damals wurde fast ganz Burgsvig überschwemmt. Angeblich haben sie sich damals gedreht. Jetzt gehören sie zum Stadtmuseum von Gormsby.«
     
    Eva starrte den Kaufmann an und hatte
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