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Das dunkle Lied des Todes

Das dunkle Lied des Todes

Titel: Das dunkle Lied des Todes
Autoren: Bjarne Reuter
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die Diele wanderte: Hasse tropfendesWasser. Hasse tropfendes Wasser. Die Wörter passten sich dem rhythmischen Tropfen an.
    Eva ging auf den Gang, machte auf dem Absatz kehrt und fragte laut:
    »Ist da jemand?«
    Stille. Aber jetzt war es ganz deutlich: Sie spürte, dass dort jemand war.
    Ein Vibrieren in der Luft.
    Ein Atemzug.
    Sie stieß die Tür zu einem kleineren Zimmer auf. Einem der Mansardenzimmer. Es war ein seltsames Zimmer mit starker, fast einschüchternder Atmosphäre. Es gab nur wenige Möbel: ein Bett, einen Spind und eine kleine Waschschüssel aus Porzellan. Mehrere Aquarelle von Blumen und Kräutern, dazu ein Regal mit Fachliteratur. Die Aussicht war umwerfend. Wasser, so weit das Auge reichte. Ein endloser Himmel und spiegelglattes Meer.
    Sie setzte sich auf die Bettkante und schaute die Tür des sahnefarbenen Spinds an. War sich sicher, dass es von dort kam. Das, was nicht da sein durfte. Aber das war doch unlogisch. Aber irgendwoher musste es schließlich gekommen sein. Sie brauchte nur aufzumachen und nachzusehen. Sie konnte noch immer das rhythmische Tropfen aus dem Badezimmer hören. Es erinnerte sie an den Taktschlag des Metronoms, aber es hatte nicht dieselbe beruhigende Wirkung Sie hatte immer schon Probleme mit Türen gehabt. Als kleines Mädchen hatte siesich vor allem gefürchtet, was sich dahinter verbergen konnte. Aber sie war kein kleines Mädchen mehr, deshalb stand sie auf und ging durch das Zimmer, zögerte einen Moment, öffnete dann aber die Spindtür, die mit widerwilligem Quietschen aufging.
    Auf der Innenseite hing ein Spiegel.
    Und im Spiegel stand eine ältere Frau.
     
    Eva fuhr zusammen.
    »Sie haben mich erschreckt«, flüsterte sie.
    Die hochgewachsene Frau betrat das Zimmer. Sie hatte ein grünes Tuch um die Schultern liegen. Sie war überaus feminin und sehr robust zugleich, schön auf eine männliche Weise. Feste Schuhe, graue Strümpfe, eine hübsche Silberspange in den weißen Haaren. Wie aus einem Heimatmuseum entsprungen.
    »Ich wollte mich nur davon überzeugen, dass alles seine Ordnung hat. Ich bin für Haus Pemba und die Vermietung zuständig. Ich heiße Lohse.«
    Eva lächelte, streckte die Hand aus und stellte sich vor.
    »Die Schüler kommen morgen, ich bin die Klassenlehrerin, und ich wollte einfach schon heute kommen, um alles vorzubereiten.«
    Dann folgte eine Gesprächspause und Eva hatte das Gefühl, die füllen zu müssen. Sie sagte, es sei keine ganz normale Schulklasse, die nach Burgsvig kommen werde, sondern eine Auswahl überaus begabter Kinder. Von der besten Musikschule im Land.
    »Sehr tüchtig und ein wenig verwöhnt«, fügte sie hinzu.
    »Aber auserwählt«, die alte Dame lächelte. »Ich hoffe, Sie sind mit den Zimmern zufrieden?«
    »Besser könnte es gar nicht sein, alles ist in bester Ordnung, abgesehen von dem tropfenden Hahn.«
    »Ja, das stimmt, der tropft einmal pro Sekunde, mein Vater hat ihn das Uhrwerk des Hauses genannt. Wie war doch noch Ihr Name, Bergman?«
    »Ja, Eva Bergman.«
    Die alte Dame trat dicht vor Eva und musterte sie forschend, als ob sie nach etwas Vertrautem suchte.
    Eva trat einen Schritt zurück.
    »Kennen wir uns schon?«, fragte sie.
    »Ob wir uns schon kennen? Nein, nein, das tun wir nicht. Sie haben nur eine kleine Ansammlung von Sommersprossen, über dem Nasenrücken. Die hat mich an etwas erinnert.«
    Die alte Dame ging zum Fenster, das auf das Wasser schaute. Sie strahlte stoische Ruhe aus. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, wie sie dort stand, jeden Tag, immer zur gleichen Zeit, am Fenster, wartend. Aber die Augen, dachte Eva, sie hat die gleichen Augen wie der Kaufmann. Das liegt vielleicht an Inzucht, vielleicht sind sie in Burgsvig überaus kurzsichtig.
    »Finden Sie es hier feucht, Frau Bergman?«
    Eva lächelte.
    »Nein, ich finde es hier nicht feucht, ich finde hier alles einfach wunderbar. Wenn man aus der Großstadtkommt, ist das doch die pure Offenbarung. Man fühlt sich sofort zu Hause.«
    »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein?«
    »Doch. Doch, das ist mein Ernst. Es ist hier sehr, ja, gemütlich. Aber vielleicht sollte ein wenig gelüftet werden.«
    Die Frau zog ihr Schultertuch fester zusammen.
    »Bei der Lage so dicht am Meer ist es ja nur natürlich, dass es ein wenig feucht wird. Aber wenn Sie die Fenster öffnen und das Haus so richtig durchpusten lassen   …«
    Die Frau beendete den Satz nicht.
    »Es ist ja noch genauso, wie Max Savannah das wollte. Wir haben nichts verändert. Alles
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