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Das dunkle Lied des Todes

Das dunkle Lied des Todes

Titel: Das dunkle Lied des Todes
Autoren: Bjarne Reuter
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bloßgestellt war.
    Sie stellte fest, dass das Geräusch aus dem Keller kam.
    »Aber ich bringe es nicht über mich, nach unten zu gehen.«
    Was, wenn diese Alte da unten stand?
    »Was, wenn sie zurückgekommen ist, um meine Sommersprossen zu zählen? Aber warum sollte sie?«
    Wenn es blubbert, dann blubbert es eben. Vielleicht blubbert es seit Jahrzehnten. Vielleicht ist es Sinn der Sache, dass es blubbert.
    »Mich geht das doch nichts an. Doch, es geht mich wasan, denn es geht mir auf die Nerven, weil ich nicht weiß, was es ist.«
    Sie fand den Schalter an der Wand und machte über der Kellertreppe Licht. Konnte ein wenig von dem ersten Kellerraum erkennen, der ansonsten in tiefer Finsternis lag.
    Sie ging zurück in die Küche, wo sie eine Taschenlampe gesehen hatte. Danach überzeugte sie sich davon, dass die Haustür abgeschlossen war, leuchtete in den dunklen Raum, suchte einen Lichtschalter, fand aber keinen, deshalb ließ sie den Lichtkegel vor sich einen Weg bilden und konnte im Raum ein bläuliches Licht in Richtung aufs Meer sehen. Von dort kam das Geräusch.
    Sie machte einen Schritt nach vorn, dann erklang ein leises Klicken und das Licht verschwand. Sie sagte sich, das hier sei ein schlechter Zeitpunkt für Hirngespinste. Ganz abgesehen davon, dass sie sich im Dunkeln noch nie gefürchtet hatte. Dann war das Licht eben programmiert. Kellerlampen hatten oft eine Zeitschaltung.
    »Genau«, flüsterte sie. »Zeitschaltung.«
    Sie ging in den hintersten Kellerraum und fand dort ein großes viereckiges Becken, das bis zum Rand mit schwarzem Wasser gefüllt war. Mit stillem, seidigem schwarzem Wasser. Sie hätte schwören können, dass das Blubbern von dort gekommen war. Aber vom Wasser war kein Laut zu hören.
    Sie beugte sich über die Wanne und sah ihr Spiegelbild in Blau und Schwarz. Fast so, als liege sie dort unten. Vorsichtignäherte sich ihre Handfläche dem glänzenden Wasser, als eine Blase vom Boden des Beckens hochschoss. Im Bruchteil einer Sekunde war die gesamte Wasseroberfläche in Bewegung, es blubberte und brodelte. Sie ließ die Taschenlampe fallen und ging rückwärts zur Treppe zurück, stieß mit dem Rücken gegen die Wand, rannte hinauf in die Halle und lief weiter in den ersten Stock, wo sie die Tür aufriss und sich auf das Bett fallen ließ.
    Stille. Kein Blubbern, nur das beharrliche Tropfen im Badezimmer.
    Man ist nicht in Form, dachte sie, man hat ein Herz, das hämmert wie nach einem Marathonlauf.
    Sie schloss die Tür ab und wartete darauf, dass ihr Puls sich beruhigte. Sagte sich, sie wolle nicht daran denken, warum jemand ein Becken voll schwarzem Wasser im Keller hat.
    War das ein Geräusch?
    Ja, das war ein Geräusch.
    Kam das aus dem Spind?
    Natürlich tat es das nicht.
    Es hörte sich nur so an.
    Sieh mal nach!
    Okay.
    Sie stand auf und ging durch das Zimmer, packte den Türgriff, zögerte, riss dann aber die Tür sperrangelweit auf.
    Starrte ihr blauweißes Spiegelbild an, das ein ganz klein wenig zitterte.
    Sie schaute sich um. Denn es hing ein Zittern in der Luft, das den Spiegel in Bewegung setzte.
    Leben, dachte sie. Leben. Die Blenden öffnen sich, das Wasser blubbert und der Spiegel vibriert. Ein Uhrwerk wird in Gang gesetzt. Man spürt das in dem Moment, in dem man zur Tür hereintritt. Dieses Haus lebt. Es holt wieder Luft. Nach all den Jahren. Vielleicht bilde ich mir das alles ja nur ein. Vielleicht ist es ganz einfach nur Durchzug.
    Sie sagte es laut.
    »Durchzug, ganz einfach, Durchzug.«
    Sie schloss den Spind, knipste die Nachttischlampe aus und kroch unter die Decke.
    Lauschte dem Wind
    Der in einem mächtigen Segel zu spielen schien.

 
    Im Meer wimmelt es von Menschen. Dort ist ein Leben
ohnegleichen. Seeleute, Kaufleute, Lotsen und Matrosen.
Schwarze Mädchen, braune Mädchen, Taschendiebe und Tagelöhner, und dort, mittendrin in ihren rosafarbenen
Kleidern, stehen die beiden Schwestern Friis-Hansen wie
die pure Fata Morgana. Ihre gelben Sonnenschirme bieten
nur wenig Schutz vor der tropischen Sonne. Aber sie scheinen
sehr guter Laune zu sein und sich zu freuen, weil sie auf der
langen Heimreise so nette Gesellschaft haben.
    Fregatten mit fünf Masten, Briggs und Galeassen werden
beladen. Die Leute schwitzen und es wird auf Indisch, Arabisch und Swahili gerufen. Die gesamte Handelsflotte des
Orients scheint sich im Hafen von Sansibar ein Stelldichein
zu geben.
     
    Aber bald setzen wir Segel. Wir sind stolz auf unsere Dreimastbark. Der Wind kommt von
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