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Das dunkle Lied des Todes

Das dunkle Lied des Todes

Titel: Das dunkle Lied des Todes
Autoren: Bjarne Reuter
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Hinsicht vollständig eingerichtet war. Danach machte sie in den Zimmern, auf der Treppe und in der Halle Licht und schloss am Ende die Haustür ab.
    »Der Ordnung halber«, sagte sie und machte sich auf die Suche nach einem Fernseher, fand aber keinen und dachte sich, dass das möglicherweise ein Vorteil sei.
    »Dann können sie das mal lernen.«
    Eine Woche ohne Satellitenschüssel und achtzig Fernsehsender. Sieben Tage ohne Handy. Wie einem Säugling den Schnuller wegzunehmen.
    Sie ließ sich im Esszimmer in einen Sessel fallen. Fühlte sich müde und unruhig und ein wenig einsam. Zu Hause sah sie nicht viel fern, aber an diesem Abend hätte es sie nicht gestört, zu einer Sendung über Igel, Iltisse, Insolvenz oder Inkontinenz einzuschlafen.
     
    Von dem Zimmer, das sie »mein Zimmer« getauft hatte, schaute sie auf das dunkle Meer, das wenige Meter vor der Nordseite des Hauses gegen den Steinstrand schlug. Ein stiller Abend in einer wankelmütigen Jahreszeit.
    Sie öffnete die Tür des Spinds und betrachtete sich im Spiegel.
    »Habe ich dieses Wort je in den Mund genommen? Wankelmütig.«
    Aber es stimmte. Es war eine wankelmütige Jahreszeit, mitten zwischen Frühling und Sommer, mit einem starrsinnigen Rest vom Laub des vergangenen Herbstes. Sie hatte das starke Bier getrunken und die letzte Zigarette des Tages geraucht, ihre Zähne waren geputzt und sie hatte alles überprüft. Das Haus war bewohnbar. Wartete nur auf seine neuen Bewohner. Sie hätte die Frau gern nach dem Geruch gefragt. Dem, der in der Luft hing und sie an Weihnachten bei ihren Großeltern erinnerte. Dem seltsamen, beruhigenden und ein wenig fremdartigen Geruch, der sie dazu brachte, sich unter der Decke zusammenzurollen, klein wie ein Komma und rund wie ein Punkt. Vielleicht war es das Bier, das sie schläfrig machte. Vielleicht war es die Reise. Sie hatte trotz allem fünf volle Stunden hinter dem Lenkrad gesessen. Auf der Fähre hatte sie sich die Landkarte angesehen und war zu dem Schluss gekommen, dass sie ihr Land zwar ziemlich gut kannte, dass sie aber noch nie in Burgsvig gewesen war. Die Tage waren hier oben wirklich länger. Und die Nächte entsprechend kürzer. Deshalb geriet man leicht ins Schwärmen. Denn hier gab es ein Licht, das nicht von dieser Welt war. Sie sagte es laut: »Jetzt schlummert die lichte Nacht, hinter meinem Bett, wenn ich schlafe. Leise wie ein Wiegenlied.«
    Im Regal standen anderthalb Meter Bücher, allesamt Fachbücher. Einige über Stickerei, andere über Landwirtschaft.Es gab ein Nachschlagewerk über sämtliche Kräuter und ein dickes Buch über schwarzen Pfeffer. Alte Bücher mit Ledereinband und gelblichem, wie durch einen Wasserschaden geflecktem Papier.
     
    »Die Reste nach einem Schiffbruch. Herrgott, Max Savannah. Liegt im Keller begraben.«
    Im Buch über schwarzen Pfeffer gab es eine Eintragung, mit der Hand geschrieben und teilweise verwischt.
    Eva buchstabierte sich hindurch: »Die Reise ist eine Tür   … durch die man aus der bekannten Wirklichkeit hinausgeht   … und in eine andere, unerforschte Wirklichkeit eintritt   …die dem Traum ähnelt.«
    »Na gut, von mir aus.«
    Sie stellte das Buch zurück.
    »Sehr schöne Handschrift. War das deine, Max? Das glaube ich. Armer Max. Sein Leben auf dem Meeresgrund zu beenden.«
    Aber wer kommt auf die Idee, ein Grab in seinem Keller anzulegen? Und was war mit seinem Bruder? War der vielleicht nicht gefunden worden?
    Eva schloss die Augen und stellte sich die Mühlen mit der zerrissenen Flügelbespannung vor. Sie machten ein Geräusch, das in diesem Moment beruhigend wirkte. Das Meer war still, aber das Geräusch der zerfetzten Leinwand war wie ein Flüstern in der Nacht zu hören.
    Ein Geräusch, das immer dort gewesen war.
    Leinen auf gebrochenen Mühlenschwingen.
    Eine sanfte, rastlose Windharfe.
    »Das Wiegenlied des Ozeans«, flüsterte sie, »lullt mich ein.«
    Wenn da nur nicht dieses irritierende Geräusch gewesen wäre, das nicht verstummen wollte.
    Ein Blubbern.
    Sie hob die Beine aus dem Bett und schaltete die Nachttischlampe ein.
    War es da oder war es nicht da?
    Es war da.
    Sie ging hinaus auf den Gang und öffnete die Badezimmertür. Der Hahn tropfte noch immer. Aber er blubberte nicht. Also holte sie ihren Bademantel, machte auf der Treppe Licht und ging hinunter in die Halle. Sagte sich, die Besitzer müssten in Vorhänge investieren. Die vielen schwarzen Fensterlöcher waren unangenehm, weil man selbst so vollkommen
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