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Das dunkle Lied des Todes

Das dunkle Lied des Todes

Titel: Das dunkle Lied des Todes
Autoren: Bjarne Reuter
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»Komischer Name für ein Haus.«
    Bromsen knöpfte seine Jacke zu.
    »So heißt eine Insel im Norden von Sansibar«, sagte er.
    »Du kennst dich ja aus mit Geografie.«
    »Ich war in Tansania und Mosambik. Aber danke für unser kleines Gespräch. Wir sehen uns im Norden. Hoffentlich stößt du mit keiner Möwe zusammen.«

 
    Die letzten Tage waren von großer Geschäftigkeit geprägt.
Wir müssen so vieles zurücklassen. Unmöglich können wir
alles mitnehmen. Die Plantagen haben wir längst dem Land
geschenkt, das uns mit offenen Armen aufgenommen hat.
Einen Teil der Einrichtungsgegenstände haben wir der Verwalterfamilie und den Landarbeitern überlassen, die uns in all
den Jahren begleitet haben. Der Rest liegt in Kisten und
Kästen, und mein Bruder, der immer schon ein ziemlicher
Sammler war, hat sogar die scheußliche Missionarsspardose
zusammen mit seiner ersten Arbeit eingepackt. Die soll
offenbar mich darstellen, auch wenn ich finde, dass ich mich
in Fleisch und Blut besser mache als in Messing.
    Wir haben vor acht Monaten die Zeichnungen des Hauses erhalten. Sie entsprachen unseren Erwartungen. Wir waren schon so viele Jahre nicht mehr in Dänemark, dass das Bild verwischt zu sein scheint. Aber das Kattegat liegt sicher immer noch da.
    Oft habe ich das Haus in meinen Träumen vor mir gesehen:
die schön dekorierte Eingangstür, die große hellgrüne Halle,
die breite Treppe und das behagliche Herrenzimmer, wo wir
über alte Tage plaudern werden.
    Es gibt viele schöne Blumen in Dänemark, aber am meisten
fehlt mir der gelbe Löwenzahn.
    Wir bekommen heute Abend Gäste, unser letztes Essen in
dem alten Plantagenhaus, und das wollen wir mit unseren
Mitreisenden feiern.
    Die Schwestern Friis-Hansen sind mit einer Unmenge von Taschen und Koffern eingetroffen. Obwohl sie ein halbes Jahr in Dar-es-Salaam verbracht haben, stolzieren sie in der neuesten Pariser Mode durch die Gegend.
    Der Missionar wird mit seiner Familie später am Abend
kommen. Sie haben ihren Aufenthalt in Afrika abgebrochen,
um zu ihrer jüngeren Tochter nach Hause zu fahren. Das
versteht man gut.
    Ich bin froh darüber, dass die Jolly Nigger Bank verpackt
ist. Diese Figur hat etwas an sich, das mir überhaupt nicht
gefällt.
    Es ist nicht leicht, Sansibar und den Plantagen Lebewohl
zu sagen, aber jetzt freue ich mich darauf, nach Hause zu
kommen. Jetzt bin ich bereit.

3
    Sie war ein verwirrtes Frauenzimmer und hatte nichts anderes als Zigaretten, Whisky und teures Bier im Kopf.
    Kalle Harkinen, Kaufmann
     
    Es dämmerte schon ein wenig, als sie von der Autobahn abfuhr und der Landstraße zur Nordküste folgte. Die Gegend änderte sich. Der hellgrüne Buchenwald wich zundertrockenen Kiefernriesen, deren graubraune Zapfen zwischen Dünen und Wasser herumkullerten. Eva hatte gehört, dass es in Burgsvig   – das eigentlich kein richtiger Ort war, sondern nur die Bezeichnung für einige windgebeutelte Häuser und einen kargen Steinstrand   – einen Laden geben sollte. Aber sie hatte das Gefühl, falsch oder bestenfalls zu weit gefahren zu sein, deshalb hielt sie am Straßenrand und zog die Karte hervor, wo sie mit einem Kreuz die Position von Burgsvig markiert hatte.
    Im Ordner lag die Anzeige für das Haus Pemba, die sie in der Zeitschrift des Lehrerverbands gefunden hatte. Sechs Schlafzimmer, zwei Wohnzimmer, große Bauernküche, Abstellkammer, gute sanitäre Verhältnisse, schriftliche Reservierung, Geld aufs Girokonto. Sie waren selbst für ihre Verpflegung verantwortlich und mussten Bettwäscheund Handtücher mitbringen. Das Foto des Grundstücks war von schlechter Qualität, aber man konnte doch erkennen, dass Pemba ein ziemlich großes Holzhaus mit Erdgeschoss und drei Mansardenräumen war. Eva sah, dass es vom Beginn des vorigen Jahrhunderts stammen musste. Sie hatte noch andere Alternativen gehabt, aber aus irgendeinem Grund sprach Pemba sie an. Vielleicht, weil die Anzeige so klein gewesen war. So bescheiden, dass sie fast schon wieder auffiel.
    Sie stieg aus dem Auto, steckte sich eine Zigarette an und genoss das flache Licht der Dämmerung und den frischen Meeresgeruch. Kein Wind wehte. Kein Vogel, vor allem keine Möwen. Das war ihr nur recht. Von allen Tieren mochte sie die Möwe am wenigsten. Sie hatte eine Erinnerung an ihre frühe Kindheit, als eine Möwe auf der Fensterbank aufgetaucht war. Sie war entsetzt von deren Größe gewesen, von der beängstigenden Flügelbreite und dem heiseren Schrei, mit dem die Möwe endlich
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