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Das Dorf in der Marsch

Das Dorf in der Marsch

Titel: Das Dorf in der Marsch
Autoren: Hannes Nygaard
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würde es den Hühnern schlecht bekommen.«
    Â»Erst recht Menschen, wenn sie da hineingerieten«, sagte Große Jäger. »Wir können kaum davon ausgehen, dass jemand beim Beladen, Reparieren oder irgendeinem anderen Hantieren verunglückt ist und dabei seinen Finger verloren hat. Davon hätte Reimers gehört. Vorsichtshalber werde ich aber Hilke bitten, die umliegenden Krankenhäuser zu befragen, ob dort ein entsprechender Notfall behandelt wurde. Das sind keine alltäglichen Geschichten. Was käme in Frage?« Große Jäger kratzte sich den Bart. Deutlich war das schabende Geräusch zu vernehmen. »Tönning. Husum. Das Westküstenklinikum in Heide. Vorsichtshalber soll Hilke auch in Schleswig und Rendsburg anfragen, obwohl ich das nicht glaube.«
    Â»Wir sollten auch die Rettungswachen in Garding und Tönning fragen«, regte Christoph an.
    Große Jäger hob seine Hände in die Höhe und ließ nacheinander die Finger hochschnellen. Dabei bewegte er tonlos die Lippen. Als alle zehn Finger emporgestreckt waren, beugte er sie wieder und begann von Neuem. Das Spiel wiederholte er mehrfach.
    Â»Ganz schön lange schon«, sagte er und grinste.
    Â»Du willst mir damit sagen, dass du schon ein paar Tage bei der Polizei bist und keine Ratschläge benötigst.«
    Â»Du solltest mit deiner Auffassungsgabe auch zur Polizei gehen«, erwiderte der Oberkommissar und beeilte sich, außer Reichweite zu gelangen.
    Christoph besah sich noch einmal die Biogasanlage. Wie kam der menschliche Finger in den Fermenter? Offenbar gab es nur den einen Zugang über den Einfülltrichter. Wem gehörte der Finger? War es ein Streit unter rivalisierenden Banden? Kaum, dachte er. So etwas war in Nordfriesland unwahrscheinlich. Und die Rockerszene, in der so etwas denkbar wäre, konzentrierte sich auf andere Landesteile – Neumünster, Kiel, Flensburg. In Nordfriesland traten andere Biker auf.
    Bekannt war das österliche Bikertreffen in Husum, zu dem sich tausend friedliche Motorradfreaks zu einem Gottesdienst trafen. Und anschließend fuhr der Pastor mit. Mafiöse Strukturen waren hier auch unbekannt. Frauke Dobermann, die in Hannover die Organisierte Kriminalität bekämpfte, hätte den Finger möglicherweise als »Bestrafung« innerhalb einer Bande interpretiert. Aber hier – in Nordfriesland? Schon gar nicht auf Eiderstedt. Nein. Der Finger blieb ein Rätsel.
    Große Jäger kehrte zurück.
    Â»Tante Hilke war begeistert«, erklärte er. »Sie schlug vor, dass ich mit ihr tauschen solle. Sie würde auch gern mit einem so charmanten Kollegen wie dir unterwegs sein.« Er strich sich versonnen über den Schmerbauch. »Verstehe ich nicht. An mir ist doch viel mehr dran.«
    Die rotblonde Kommissarin Hilke Hauck war nach Mommsens Wechsel nach Ratzeburg zu einer wertvollen Hilfe geworden. Auch wenn sie gelegentlich klagte, dass man ihr »nur« die Innendiensttätigkeiten übertrug, war die Hausfrau und Mutter nicht unglücklich über diese Situation. Sie sprach nie darüber, aber den Angriff auf sie auf dem Friedrichstädter Marktplatz hatte sie bis heute nicht überwunden.

ZWEI
    Langsam kam ein weißer Mercedes Vito Kastenwagen auf den Hof gerollt.
    Â»Hast du im Lotto gewonnen? Wo ist euer alter VW   LT ? Wie macht man das? Wen muss man in der Behördenleitung bestechen, um an so schicke Fahrzeuge heranzukommen?«
    Der kleine Mann mit den extrem kurzen Haaren, durch die Kopfhaut sichtbar war, steuerte auf Christoph zu und wies dabei mit dem Finger auf den Oberkommissar.
    Â»Wie hältst du das mit so einer westfälischen Sabbeltasche nur aus? Wie kann man den zum Schweigen bringen?«
    Christoph lachte und streckte Hauptkommissar Jürgensen die Hand entgegen. Der Leiter der Spurensicherung von der Flensburger Bezirkskriminalinspektion erwiderte den Händedruck.
    Große Jäger hatte sich von hinten herangeschlichen und fuhr über Jürgensens Kopfhaut. »Kein Wunder, dass du ständig niest. Bei so wenig Haaren muss man sich ja erkälten.«
    Â»Jeder, der mir über den Kopf streichelt, bezahlt einen Euro«, knurrte Jürgensen.
    Â»Deshalb hast du so wenig Haare. Und davon hast du den neuen Wagen bezahlt?«
    Â»Die sind mir ausgegangen, weil ich mir jedes Mal meine Lockenpracht gerauft habe, wenn ich wieder zu euch an die Westküste kommen
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