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Das Dorf in der Marsch

Das Dorf in der Marsch

Titel: Das Dorf in der Marsch
Autoren: Hannes Nygaard
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bis das aromatische Getränk in den Becher lief. Dieser Vorgang wiederholte sich noch zweimal. Mit den drei Gefäßen kehrte Reimers zurück und nahm ebenfalls Platz.
    Â»Das ist reine Routine«, beantwortete Christoph die Frage.
    Â»Was ist reine Routine?«, fragte Reimers geistesabwesend. »Ach ja. Die Namen meiner Mutter und meiner Freundin.«
    Sie tranken einen Schluck Kaffee. Christoph nippte vorsichtig an seinem Becher. Er hatte erwartet, dass das Getränk brühheiß war.
    Â»Sie wollten uns etwas über den Ablauf erzählen«, erinnerte er Reimers.
    Der Landwirt drehte gedankenverloren seinen Becher in der Hand.
    Â»Ich verstehe das nicht«, murmelte er dabei. »Und wenn das ein Gummifinger ist? Ich meine, ein Fake ? Wenn sich jemand einen schlechten Scherz erlaubt hat?«
    Â»Danach sieht es leider nicht aus«, enttäuschte ihn Große Jäger. »Wie bekommt man die Sachen in den Behälter hinein?«
    Â»Wissen Sie überhaupt, wie Biogas entsteht? Haben Sie schon einmal Silage gegessen?«
    Â»Bitte?«, fragten Christoph und Große Jäger übereinstimmend.
    Reimers lächelte. »Sicher haben Sie das. Sie nennen es nur anders. Sauerkraut. Das ist das gleiche Prinzip. Der Weißkohl wird durch Milchsäure vergoren. Das, was wir dort draußen in diesem Behälter machen, ist im Prinzip nichts anderes. Wir nehmen nur keinen Kohl.«
    Â»Ich kenne einen Helmut Kohl, den hätte man rechtzeitig silieren sollen«, murmelte Große Jäger leise und erntete dafür einen strafenden Blick von Christoph. Zum Glück hatte Reimers es nicht mitbekommen.
    Â»Der runde Behälter, in den wir durch das Schauglas gesehen haben, nimmt die Silage auf.«
    Â»Das ist der Mais, der jetzt überall angebaut wird«, warf Christoph ein.
    Â»Das ist richtig. Da ist Mais drin. Aber nicht nur. Ich nehme auch Grassilage und GPS .«
    Â»Dschi-Pi-Es?«, fragte Große Jäger.
    Â»Nein. G - P - S «, benutzte Reimers die deutschen Buchstaben. Das hat nichts mit dem Global-Positioning-System zu tun, das Sie in Ihrem Auto haben. In diesem Fall bedeutet es Ganzpflanzensilage. Weizen und Gerste werden gehäckselt und mit der Gras- und Maissilage gemischt. Das Ganze wird hinten auf dem Hof gelagert. Ich verdichte es noch, indem ich mit dem Trecker darüberfahre. Wenn da Luft herankommt, bilden sich Essig- und Buttersäure. Deshalb ist die Miete, das sind laienhaft ausgedrückt diese ›Haufen‹, auch mit schwarzer Folie abgedeckt.«
    Â»Sie meinen jene, auf denen alte Autoreifen liegen?«
    Â»Genau die. Und das wird zusammen mit Gülle in den Fermenter gefüllt. Das ist das runde Bauwerk mit der Kuppel obendrauf. Darin gärt die Silage. Es bilden sich Methangase, die oben in der Kuppel gefangen werden. Und diese werden für die Energiegewinnung genutzt. Etwa vierzig Prozent dienen der Stromerzeugung, der Rest ist Thermik, also Wärme«, erklärte Reimers.
    Â»Sie können die Anlage aber auch mit anderen Stoffen füllen?«, fragte Große Jäger.
    Â»Da gibt es viele Möglichkeiten. Sie können fast alle organischen Stoffe verwerten, zum Beispiel Speisereste. Aber Mais und Grassilage sind nun einmal am energiehaltigsten. Und das Schöne daran ist, dass die vergorenen Pflanzenreste hinterher als hochwertiger Dünger, wir nennen es Wirtschaftsdünger, wieder in der Landwirtschaft eingesetzt werden können.«
    Â»Das Prinzip entspricht dann …«, begann Christoph.
    Reimers fiel ihm ins Wort. »Die Biogasanlage arbeitet wie der Pansen des Rindes. Da passiert im Grund genommen nichts anderes. Die Silage wird dort vergoren, und es bildet sich unter anderem auch Methan.«
    Â»Kritiker behaupten, die massive Rinderhaltung rund um den Globus würde zur Zerstörung der Ozonschicht beitragen.«
    Â»Blödsinn«, tat Reimers den Einwand ab. »Wollen Sie die Rinder als Fleischproduzenten ausrotten? Wovon soll die Menschheit sich ernähren?«
    Â»Es ginge doch auch vegetarisch. Ein Rind verbraucht ein Vielfaches an Grünfutter von dem, was ein Mensch benötigt«, sagte Christoph.
    Â»Klar. Bestimmt.« Reimers reagierte sichtlich erbost. »Gehen Sie doch hinaus und futtern Sie die Silage. Ich wünsche Ihnen guten Appetit.«
    Christoph zog es vor, die Diskussion nicht fortzusetzen. An anderer Stelle wurde heftig darüber gestritten, ob mit dem Anbau von
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