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Das Dorf in der Marsch

Das Dorf in der Marsch

Titel: Das Dorf in der Marsch
Autoren: Hannes Nygaard
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nicht viel zu verdienen«, kommentierte der Oberkommissar die Anlage. »Das soll mächtig viel Mäuse bringen. Darum sind alle Gemeinden so heiß darauf, sich solche Anlagen hinzustellen. Und weil die Bayern das auch gemerkt haben, planen die jetzt, auch Windparks zu bauen und unseren Strom nicht abzunehmen. Und dann?«
    Sie hatten das Ende der Straße erreicht und fuhren nun auf dem Deich durch die kleine Ortschaft Simonsberg. Etwas weiter entfernt tauchte in der Marsch der Rote Haubarg auf, der mächtigste Vertreter dieser angeblich größten Bauernhäuser der Welt, die typisch für Eiderstedt waren. In einer scharfen S-Kurve zweigte die Landesstraße ab, die zunächst durch Uelvesbüll führte und dann an der Binnenseite des Deichs entlang verlief. Hier zeigte sich, dass das Land seit Langem die Infrastruktur vernachlässigte, zumindest in diesem Teil. Die schmale Straße war ein einziger Flickenteppich. »Eine Patchwork-Allee«, hatte Große Jäger es einmal genannt, auch wenn die Bäume fehlten.
    Nach fünf weiteren Kilometern, die nur aus dem Deich zur Rechten und der weiten Marsch zur Linken bestanden, verkündete ein grünes Ortsschild, dass sie ihr Ziel Everschopkoog erreicht hatten.
    Christoph wunderte sich, dass Große Jäger heute so gesprächig war.
    Â»Ein Koog ist durch Deichbau und Entwässerung dem Meer abgerungenes Land«, dozierte Große Jäger. »Die Holländer sagen Polder dazu. Meistens ist der Koog hinterm Deich tiefer gelegen als das Wasser vor dem Deich. Es gehört Gottvertrauen dazu, hinterm Deich zu leben.«
    Â»Und warum heißt der Ort Everschopkoog?«, fragte Christoph.
    Â»Weil Everschop der Name einer Harde ist. Und dieser Begriff lässt sich am besten mit ›Verwaltungsbezirk‹ übersetzen, also so etwas wie ein Landkreis. Na ja. Nicht ganz«, relativierte Große Jäger. »Detlev von Liliencron war eine Zeit lang Hardesvogt, so eine Art Landrat, auf Pellworm. Während dieser Zeit hat er die Story von Rungholt geschrieben.«
    Christoph unterließ es, zu antworten, setzte den Blinker und bog auf das Areal eines Bauernhofs ab. Dort stand bereits ein blau-silberner Ford Focus der Tönninger Polizei. Christoph parkte direkt daneben.
    Auf dem Hof standen zwei uniformierte Beamte und ein jüngerer Mann in Arbeitskleidung. Als sie auf die Gruppe zugingen, tippte sich der Ältere der Polizisten lässig an den Mützenschirm.
    Â»Moin. Das ist Herr Reimers, der Hofbesitzer. Er hat bei der Kontrolle in seiner Biogasanlage eine merkwürdige Entdeckung gemacht.« Dann berichtete der Polizeihauptmeister, was er von Reimers erfahren hatte. »Wir hielten es für besser, euch zu informieren.«
    Â»Danke, Horst.« Große Jäger klopfte dem Beamten leicht auf die Schulter. »Gut gemacht. Dann zeig uns mal das gute Stück.«
    Â»Da oben.« Reimers wies auf ein Podest am Ende einer Leiter. »Im Schaufenster.«
    Christoph und Große Jäger erklommen die Metalltreppe und sahen durch das Glas.
    Â»Das gibt es doch nicht«, war die erste Reaktion des Oberkommissars, nachdem er den Fund betrachtet hatte. »Wie kommt der Finger da hinein?«
    Â»Den wird keiner freiwillig abgeliefert haben«, erwiderte Christoph.
    Â»Ob da noch mehr herumschwimmt?«, überlegte Große Jäger laut und zeigte auf den Behälter.
    Christoph zuckte mit der Schulter.
    Â»Das wäre unschön.« Er zog die Stirn kraus und musterte den großen grünen Behälter mit der Halbkugel als oberen Abschluss, während Große Jäger nah an das Glas heranrückte und mehr zu sich selbst sagte: »Da sind rundum Schrauben, die das Schauglas halten. Wenn man die lösen würde, käme man an den Finger heran.«
    Â»Das sollte die Spurensicherung übernehmen«, schlug Christoph vor.
    Â»Traust du mir keine handwerklichen Fähigkeiten zu?«, fragte der Oberkommissar gespielt entrüstet.
    Â»Ich traue dir alles zu.«
    Â»So war das auch nicht gemeint.«
    Sie hangelten sich wieder die Leiter hinab.
    Â»Zunächst einmal würde ich Sie bitten, die Anlage abzuschalten«, wandte sich Christoph an den Landwirt.
    Â»Ja. Natürlich«, versicherte Reimers und verschwand durch eine Stahltür in ein kleines Häuschen, an dessen Außenseite Armaturen angebracht waren und in der Wand ein großer Lüfter rauschte und zahlreiche Rohre
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