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Das Dorf in der Marsch

Das Dorf in der Marsch

Titel: Das Dorf in der Marsch
Autoren: Hannes Nygaard
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musste.«
    Â»Klaus«, säuselte Große Jäger. »Heute überfordern wir dich nicht. Wir haben nur ein bisschen Mensch. Sozusagen als Anbiederung möchte ich dir den Finger reichen.«
    Jürgensen sah auf Große Jägers Hände mit den Trauerrändern unter den Nägeln. »Lieber nicht.«
    Â»Nicht meinen. Wir haben einen anderen für dich.« Der Oberkommissar zeigte auf den Fermenter. »Da.«
    Christoph klärte Jürgensen mit wenigen Worten über den bisherigen Ermittlungsstand auf.
    Â»Toll«, sagte Jürgensen. Es klang nicht begeistert. Dann begleitete er Christoph die Leiter hoch zum Schauglas. Nachdenklich betrachtete der Hauptkommissar den Fund.
    Â»Wir werden zunächst eine Spurensicherung an der Verschraubung und der Umgebung vornehmen, bevor wir das Teil bergen«, beschloss er und instruierte seine Mitarbeiter. Ein Spurensicherer hatte mit Foto- und Filmaufnahmen vom Hof, der Anlage und den Details der Biogasanlage begonnen.
    Christoph scharrte mit dem Fuß.
    Â»Jetzt musst du nur noch gackern«, lästerte Große Jäger.
    Â»Ist dir bewusst, dass bei der großen Marcellusflut, bei der auch das sagenhafte Rungholt untergegangen sein soll, das Meer hier durchgebrochen ist und eine Verbindung zwischen dem Heverstrom im Norden und der Eider geschaffen hat? Man nannte diese Verbindung ›Nordereider‹.«
    Â»Damit war St. Peter-Ording auf einer Insel«, stellte Große Jäger fest. »Hatte also den Status, den Westerland heute auf Sylt hat.«
    Â»Sicher hätte der damalige Kurdirektor das ausgenutzt«, erwiderte Christoph. »Aber da die Eisenbahn 1362 noch nicht erfunden war, blieben die Touristen aus. Diese dem Festland vorgelagerten Bereiche nannte man ›Utlande‹. Utholm und Everschop waren Inselharden, bis man in den folgenden Jahrhunderten durch Landgewinnung die ›Dreilande‹, so nennt man es bis heute, wieder verband. So entstand Eiderstedt in der heutigen Form.«
    Â»Wenn du ein so kluges Köpfchen bist«, sagte Große Jäger, »dann verrate mir einmal, wie der Finger in die Biogasanlage kommt.«
    Darauf hatte Christoph keine Antwort.
    Sein Telefon meldete sich.
    Â»Hallo, Hilke«, begrüßte er die Kollegin in Husum.
    Â»Ich habe mich umgehört«, berichtete die Kommissarin. »In keinem der Krankenhäuser oder beim Rettungsdienst wurde in der letzten Zeit ein Fall behandelt, bei dem es um abgetrennte Gliedmaßen ging. Daran, so die übereinstimmende Aussage, hätte man sich erinnert. Eine solche Konstellation ist schließlich nicht alltäglich. Ich werde jetzt die Ärzte auf Eiderstedt befragen.«
    Christoph warf einen Blick zum Fermenter hoch. Jürgensen, der mit einem seiner Mitarbeiter dort tätig war, bemerkte es.
    Â»Wir beginnen gleich, die Schrauben zu lösen«, rief er herunter.
    Inzwischen war Reimer Reimers zurückgekehrt. In seiner Begleitung waren eine ältere Frau sowie ein kleiner blonder Junge, um den ein Hund herumwuselte, den zu beschreiben schwerfiel. Er hatte ein weiß-schwarz geflecktes Fell, reichte etwa bis zur Kniehöhe und besaß spitze Ohren. Besonders auffällig war der schwarze Fleck, der eine Kopfhälfte und die halbe Schnauze bedeckte. Das verlieh dem Tier ein fast fröhliches Aussehen.
    Große Jäger beugte sich nieder und kraulte den Hund hinter den Ohren.
    Â»Du bist gar nicht scheu«, sagte er. »Wie heißt du denn?«
    Â»Herr Lustig«, antwortete der Junge und reichte Große Jäger unaufgefordert die Hand.
    Â»Und du?«, fragte der Oberkommissar.
    Â»Yannick.«
    Â»Unser Sohn«, erklärte Reimers und zeigte auf die Frau an seiner Seite. »Meine Mutter. Wir haben auch Ferienwohnungen auf dem Hof und bieten ›Urlaub auf dem Bauernhof‹ an. Besonders Familien mit Kindern zählen zu unseren Gästen, aber auch ältere Menschen, die die Ruhe zu schätzen wissen. Und wenn in Husum Messe ist, kommen auch Besucher zu uns, die nach einem anstrengenden Messetag in unserer gesunden Luft regenerieren möchten. Nachts können Sie hier die Stille hören.« Er lächelte. »Das glauben Sie nicht?«
    Christoph nickte und zeigte in Richtung Deich.
    Â»Doch. Ich wohne drüben auf der anderen Seite, auf Nordstrand. Ich weiß, was es heißt, die Stille hören zu können . Man kann es nicht beschreiben, man muss es erlebt
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