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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Dunja nicht, aber er wußte, daß sie irgendwo im Schatten der Felsen hockte und wartete, lauschte, in die geballten Fäuste biß und beim ersten Schuß hervorstürzen würde.
    »Wenn ich überlebe, Andrej«, sagte Bob leise, »übernehme ich das Motel und das Restaurant meines Vaters. Das schwöre ich dir.«
    »Und wenn ich überlebe, suche ich mir eine Stelle als Musiker.« Plenjakow atmete seufzend auf. »Ich kann sehr gut Balalaika spielen.«
    »Ich weiß es, Andrej. Du wirst sicherlich eine Stelle als Balalaikaspieler bekommen. Verhungern wirst du nicht.«
    »Bestimmt nicht.«
    »Alles Gute, Andrej.«
    Plenjakow nickte. Er starrte auf Bobs Zeigefinger, der sich krümmte. Wer jetzt sprechen konnte, hatte ein Tonband in der Brust, aber kein Herz.
    Bob Miller zog durch.
    Der Hahn schnappte zu, es gab ein halblautes Knacken. Als hätte er Eis ausgestoßen, so kalt lag der Revolver in Bobs Hand, wie festgefroren stak der Lauf an seiner Schläfe.
    Vorsichtig löste Plenjakow Bobs Finger von der Waffe und nahm sie ihm ab.
    »Jetzt ich, Wassjuschka.«
    Er ließ die Trommel rotieren, spannte den Hahn und hob den Revolver. Bob hielt seinen Arm fest. »Das ist doch Wahnsinn, Andrej!«
    »Bin ich vielleicht weniger mutig als du? Du hast es gewagt … soll ich mich vor dir schämen?«
    »Andrej …«
    Plenjakows Hand schnellte hoch. Fast gleichzeitig, mit Erreichen der Schläfe, schnappte der Hahn.
    Knack. Nur dieses leise, trockene Knack. Wie ein satter Rülpser des Schicksals. Leb weiter, Genosse!
    Plenjakow gab die Waffe an Bob zurück. Er hatte schon die Hand ausgestreckt. Das gleiche Zeremoniell. Rotieren der Trommel. Spannen des Hahns. Ansetzen an die Schläfe. Krümmen des Fingers.
    »Dein letzter Schuß, Bob«, sagte Plenjakow ruhig.
    »Und dann?«
    »Wenn auch ich überlebe, hat jeder von uns zwei Hände. Bob, dann müssen wir aufeinander los. Dann will uns Gott ja auch nicht.«
    Bob Miller nickte. Sein Finger riß den Abzug durch.
    Knack. Dieser verfluchte, höhnische Ton: Du darfst weiterleben. Aber innerlich stirbst du mit jeder Sekunde Stück um Stück. Gesteh es doch! Die Angst frißt dich auf …
    Plenjakow nahm den Revolver wieder zurück. Er verzichtete darauf, die Trommel noch einmal zu drehen. Nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit war auch der nächste Schuß blind.
    »Sollen wir noch einen dritten Durchgang machen, Bob?« fragte er. »Ich meine, bevor wir uns mit den eigenen Händen umbringen?«
    »Einverstanden. Noch eine Runde.« Bob hielt den Atem an. Alles in ihm zersprang in kleinste Stücke, so, als ob jemand ein Glas auseinanderklopfte. »Andrej, ich wette, unser Roulette spielt nicht mit …«
    Plenjakow krümmte den Finger. Als ahne er es, lächelte er Bob an und nickte ihm zu.
    Dann krachte der Schuß, hallte durch das enge Tal mit mehrmaligem Echo. Plenjakow wurde wie von Geisterhand weggeschleudert, hob sich fast von der Erde ab und stürzte dann zur Seite auf den steinigen Boden. In den verkrampften Fingern blieb der Revolver stecken.
    Gleichzeitig rannte von den Felsen Dunja heran. »Bob!« schrie sie mit gellender Stimme. »Bob! Bob! Bob!!« Dann brüllte sie unartikuliert, unmenschlich, mit Lauten, wie sie Miller noch nie bei einem Menschen gehört hatte.
    »Bob!«
    Miller trat aus dem Schatten der Tannen und lief hinüber zu Plenjakow. Er drehte ihn auf den Rücken. Als er den Kopf, aus dessen rechter Schläfe merkwürdigerweise kein Blutstrom, sondern nur ein dünnes Rinnsal lief, in seinen Schoß legte, war Dunja heran. Ihr Aufschrei erstarb … sie starrte Plenjakow an, fiel dann neben Bob auf die Knie, umklammerte ihn von hinten und drückte ihr Gesicht in seinen Nacken.
    »Er lebt noch«, sagte Miller und drückte den Daumen auf den Schläfeneinschuß, als könne er damit Plenjakows Leben zurückhalten. »Hol den Wagen, schnell! Laß mich los, sag ich! Hol den Wagen!«
    »Bob … Bob … o Bob!«
    »Den Wagen!« brüllte er. »Mit ›O Bob!‹ kannst du kein Leben zurückholen!«
    Da sprang sie auf, stieß wieder einen hellen Schrei aus und rannte davon, um Plenjakows alten VW vom Eingang der Schlucht heranzufahren.
    Morgens gegen vier Uhr brachte ein Adjutant im Fort Thompson General Orwell das Telefon ans Bett und verließ dann das einfache Zimmer. Orwell blickte gewohnheitsmäßig auf die Uhr, setzte sich im Bett auf und hob den Hörer ans Ohr.
    »Was ist, Bob?« fragte er. Das war es, was man an Orwell so bewunderte … es gab keine Überraschungen für ihn. Ein Telefonat um
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