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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel
Autoren: Heinz G. Konsalik
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haben.«
    »Irgendwo dort hinten muß der Bug fließen. Wir sind aus Winniza herausgefahren nach Süden, ohne den Fluß zu sehen. Er muß jetzt links von uns liegen …«
    »Möglich.« Petros Jakowlowitsch hob die schmalen Schultern. Sein Kirgisengesicht blieb ausdruckslos. »Ich kenne hier nur den Weg zwischen Winniza und diesem Tor. Wozu soll man mehr wissen?« Er grüßte und verabschiedete sich damit von Plenjakow. »In dem Kasten am Pfahl ist ein Telefon, Genosse Major. Wenn Sie den Hörer abheben, meldet sich jemand. Ich muß zurück.«
    »Gute Fahrt, Petros Jakowlowitsch.«
    »Danke sehr, Genosse Major.«
    Plenjakow wartete, bis der schwarze ›Wolga‹ in einer gelben Staubwolke hinter einem Hügel wegbog und nur noch das Blubbern des Motors in der fast völligen Stille zurückblieb. Ein paar Vögel wippten auf Birkenästen und glotzten Plenjakow stumm an. Es war warm, viel zu warm für diesen Maitag. Die Erde trocknete bereits aus. Es würde, wenn es so weiterging mit dem Sonnenschein, in der Ukraine eine Mißernte geben, und der Fünfjahresplan brach wieder mal zusammen.
    Plenjakow trat an den Blechkasten, öffnete das Türchen und hob den Hörer des dunkelgrün gestrichenen Telefons ab. Es knackte ein paarmal in der Leitung, und dann zuckte der Major zusammen, denn die Stimme, die ihm ins Ohr tönte, war so deutlich und nah, als spreche man unmittelbar gegen sein Trommelfell.
    »Seien Sie willkommen, Andrej Nikolajewitsch!« rief die fröhliche Stimme, bevor Plenjakow sich melden konnte. Die Heiterkeit des unsichtbaren Mannes paßte nicht im geringsten zu der Trostlosigkeit der Umgebung. »Sie kommen pünktlich. Aber dafür steht Petros gerade … er ist wie ein geöltes Uhrwerk. Wie ich an Ihrem Gesicht sehe, denken Sie jetzt: Der Eisentopf meiner Mutter überm Herd war lebendiger als dieses Miststück Land.«
    »So ähnlich.« Plenjakow sah sich um. Da waren der Zaun, das Tor, der Todesstreifen, die Büsche und Bäume. Er konnte nichts anderes entdecken. Die Stimme im Telefon kicherte vergnügt.
    »Ich sehe Sie, aber Sie werden vergeblich nach dem Standort der Fernsehkamera suchen. Das ist perfekte Tarnung.«
    »Meine Gratulation. Ich habe sonst einen scharfen Blick.« Plenjakow lächelte schwach. »Was passiert jetzt weiter mit mir?«
    »Sie werden abgeholt. Ein Leutnant und drei Mann.«
    Plenjakow hängte den Hörer wieder ein. Ein neues Geräusch war plötzlich in der heißen Luft, und sein geschultes Gehör erkannte am Ton: Das ist der Motor eines Geländewagens. Ein alter GAZ-69. Der Major stellte sich zwischen seine Gepäckstücke und freute sich, daß er sich nicht geirrt hatte, als plötzlich der Wagen über die Kuppe eines Hügels ratterte. Wie war das bei der Abschlußprüfung in Ust-Katowskaja? Da hatten sie ihn mit verbundenen Augen an eine Straße im Wald gesetzt, und ein Fahrzeug nach dem anderen fuhr an ihm vorbei. »Das ist ein Fiat, das ein Jeep, das ein Dodge, ein 4-Tonner Mercedes, ein deutscher MAN-Dreiachser, ein Volvo-Sattelschlepper, ein Tatra 111 S-2, ein URAL ZIS-375 …« Und dann die verschiedenen Panzertypen und Panzerkanonen, die Mannschaftswagen und Munilaster – er hatte sie bis auf eine Type alle am Ton erkannt und seine Prüfung mit dem begehrten ›Sehr gut‹ und einem Diplom abgeschlossen. Der Beste seines Lehrgangs. Und dabei war die Schulung des Gehörs nur der geringste Teil der Ausbildung. Es gab da andere Dinge, aber darüber sprach man nicht.
    Der Geländewagen fuhr im Zickzack durch das Minenfeld, hielt an dem Tor, und ein junger Leutnant sprang heraus. Die drei anderen Rotarmisten blieben im Wagen sitzen und richteten ihre Kalaschnikows auf Major Plenjakow. Mit einem einfachen Schlüssel – so sicher war man sich der höllischen Sperren – öffnete der Leutnant das Tor. Plenjakow starrte auf die Läufe der Maschinenpistolen und rührte sich nicht vom Fleck.
    »Ihr seid nicht die freundlichsten Menschen«, sagte er bloß.
    »Andrej Nikolajewitsch, wir müssen Sie untersuchen!« Der junge Leutnant kam auf Plenjakow zu. Sein Lächeln war so, als bäte er um Verzeihung für seine Aufgabe. »Wir haben Sie erwartet, wir wissen, wer Sie sind. Trotzdem –«
    »Tun Sie Ihre Pflicht, Genosse Leutnant. Soll ich mich nackt ausziehen? Ein nackter Mensch kann nichts mehr verbergen.«
    »Das stimmt. Aber es ist nicht nötig.«
    »Irrtum!« Plenjakow grinste breit. »Auch ein nackter Mensch ist gefährlich. Ich habe gelernt, daß man in einem Röhrchen, das man sich in
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