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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Leute, die Plenjakows.« Bulder schloß die Akte mit einem Klatschen. »Bei Ihnen zu Hause sprach man russisch und englisch. Sie wuchsen zweisprachig auf. Das führt Sie jetzt nach Frazertown. Wir wollen hier aus Ihnen einen Topman machen. In spätestens einem Jahr sind Sie drüben in den USA und dienen Ihrem Vaterland an der vordersten, wenn auch unsichtbaren Front. Sie lieben doch nur Ihre Heimat, nicht?«
    »Nur, Sir …«, sagte Plenjakow steif. Bulder starrte ihn an, nachdenklich, forschend, kritisch, abschätzend. Ein Blick, vor dem es keine Lügen gab.
    »Sie heißen John Barryl«, fuhr Bulder plötzlich fort. »Wie heißen Sie?«
    »John Barryl.«
    »Hier sind Ihre Papiere.« Der General schob eine verschlossene Kunstledertasche über den Tisch. »In der Mappe sind Ihr Lebenslauf, Ihre Ahnentafel, Namen von Freunden, Ihr amerikanisches Militärentlassungszeugnis, Bestätigungen Ihrer Arbeitgeber … Sie haben bisher neunmal Ihren Beruf gewechselt! … Diplome als Schwimmer und Boxer. Sie sind doch ein guter Schwimmer und Boxer?«
    »Ja, Sir«, sagte Plenjakow mühsam. »Soll ich mich hier in der Boxschule anmelden?«
    »Das ist ein guter Gedanke. Überhaupt: Sie leben in Frazertown wie ein freier Amerikaner. Das spielt sich ein: statt Wodka nur Whisky, statt Papyrossi nur Camel, statt Rubel selbstverständlich Dollars. Zweimal in der Woche ist Schulung, Geographie und Geschichte Amerikas und Besonderheiten des amerikanischen Alltags, wozu die Preise der Konsumgüter gehören, um nur ein Beispiel zu nennen. Hier sind alle Amerikaner … jedes russische Wort wird bestraft! Vergessen Sie, John, daß Sie Russe sind! Sie sind Amerikaner! Haben Sie ein Hobby?«
    »Ich höre gern klassische Musik.«
    »Erlaubt.«
    »Dann kann ich meine Schallplatten wiederhaben?«
    »Nein!« Bulder lächelte väterlich. »Nennen Sie mir einige.«
    »Die zweite, vierte und fünfte Sinfonie von Beethoven …«
    »Von wem gespielt?«
    »Von dem Philharmonischen Orchester Moskau unter Kyrill Kondraschin …«
    »Da haben Sie es.« Bulder wedelte mit seiner dicken Hand. »In Frazertown hören Sie Platten mit den New Yorker Philharmonikern unter Bernstein oder das Philadelphia Orchestra unter Solti! Das ist der feine Unterschied, der unter Umständen einmal lebensrettend sein kann! John, Sie sind jetzt Amerikaner!«
    »Ich weiß, Sir …«
    »Dann viel Glück als Hamburger-Hersteller!« Bulder erhob sich, reichte Plenjakow über den Tisch hinweg die Hand und drückte sie kraftvoll. »Wir sehen uns öfter, John. Wenn Sie Sorgen haben – ich bin Ihr väterlicher Freund. Und jetzt suchen Sie sich eine Wohnung …«
    »Suchen?« fragte Plenjakow entgeistert.
    »Natürlich! Sie sind ein freier Amerikaner. Ihnen trägt keiner eine Wohnung nach. Sie müssen jetzt selbst für sich sorgen. Good bye, John …«
    »Auf Wiedersehen, Sir.«
    Plenjakow wandte sich ab und ging zur Tür. Aber Bulder-Sinjonew sprach ihn noch einmal an, bevor Andrej Nikolajewitsch die Tür aufriß.
    »Noch eins, John: In Frazertown gibt es eine Menge hübscher Mädchen. Ich nehme an, daß Sie schon heute abend einer in die Bluse fassen …«
    »Alles russische Kolleginnen?«
    »Amerikanerinnen!« schrie Bulder. »John! Gewöhnen Sie sich daran!« Und ruhiger: »Auch das wird zum Unterricht gehören: amerikanischer Flirt! Der Umgang mit amerikanischen Mädchen unterscheidet sich wesentlich von russischem Liebeswerben. Haben Sie eine Grundahnung davon?«
    »Nein, Sir.«
    »Also dann. Wenn Sie ein hübsches Mädchen sehen, reden Sie nicht romantisch von Mütterchen Wolga, sondern pfeifen leise durch die Zähne und spendieren ein Softeis. Tun Sie so, als gäbe es keinen anderen Mann als Sie. Und stellen Sie den Sportsmann heraus. Amerikanerinnen haben eine Faible für sportgestählte Muskeln. Das genügt für's erste … das weitere lernen Sie noch in den Kursen. Und nun raus ins Leben, John!«
    Später saß Plenjakow – wir wollen ihn ab jetzt John Barryl nennen, so wie er sich wandeln muß – auf einer Bank am Fluß und blickte hinüber zu den Bootsstegen und dem Restaurant ›Bei Billy‹, seiner neuen Arbeitsstelle. Auf dem Dach thronte ein riesiger, bunter Plastik-Hamburger, dreistöckig und so naturgetreu, daß einem das Wasser im Mund zusammenlief. Nachts wurde das Monument sogar angestrahlt.
    Am Ufer promenierten junge Männer und Frauen in leichten Baumwollsachen, Jeans, Shorts und buntbedruckten Hemden. Vier Boote kurvten auf dem Fluß herum, in einer Grünanlage
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