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Das Darwin-Virus

Das Darwin-Virus

Titel: Das Darwin-Virus
Autoren: Greg Bear
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vertieft; dass das Mädchen weggegangen war, hatte sie nicht gehört. Stella war klug und würde wahrscheinlich nicht vor ein Auto laufen oder sich in andere erkennbare Gefahren begeben, aber es war ein armes Stadtviertel, und gegen Kinder wie sie gab es immer noch viele Vorurteile. Man fürchtete sich vor den Krankheiten, die manchmal im Anschluss an SHEVA Schwangerschaften auftraten.
    Die Krankheiten gab es tatsächlich; uralte Retroviren tauchten wieder auf, und manchmal waren sie tödlich. Das hatte Christopher Dicken vor drei Jahren in Mexiko entdeckt, und es hätte ihn fast das Leben gekostet. Die Gefahr bestand nur in den ersten Monaten nach der Geburt, aber Mark Augustine hatte Recht gehabt. Die Geschenke der Natur hatten immer zwei Seiten.
    Wenn ein Polizist Stella sah oder wenn jemand es meldete, konnte es Schwierigkeiten geben.
    Kaye rief Mitch bei dem ChevroletHändler an, bei dem er jetzt – wenige Kilometer von ihrem Haus entfernt – arbeitete. Er sagte, er werde sofort nach Hause kommen.
    So etwas Seltsames wie dieses kleine Mädchen hatten die Kinder noch nie gesehen. In ihrer bloßen Nähe hatten sie freundliche, angenehme Gefühle, aber sie wussten nicht warum, und es kümmerte sie auch nicht. Die Mädchen unterhielten sich über Kleidung und Musik, und Stella ahmte ein paar Sänger nach, vor allem ihr Idol Salay Sammi. Sie war eine ausgezeichnete Schauspielerin.
    Der Junge stand daneben und runzelte konzentriert die Stirn.
    Das jüngere Mädchen ging zum Nachbarhaus, um andere Freunde dazuzuholen, die luden wiederum andere ein, und schon bald war der ganze Garten voller Jungen und Mädchen. Sie spielten Haushalt, die Jungen spielten Polizei, und Stella lieferte neben der Geräuschkulisse noch etwas anderes: ein Lächeln, eine Stimmung, die besänftigte und zugleich Kraft gab. Ein paar Kinder sagten, sie müssten jetzt nach Hause, und Stella erklärte, es habe Spaß gemacht, sie kennen zu lernen. Sie schnupperte bei den anderen hinter den Ohren; die lachten darüber und zogen sich peinlich berührt zurück, aber niemand ärgerte sich.
    Und alle waren fasziniert von den goldenen und braunen Pünktchen auf ihrem Gesicht.
    Stella wirkte völlig locker und glücklich, aber sie war noch nie unter so vielen Kindern gewesen. Als zwei neunjährige Mädchen –
    eineiige Zwillinge – ihr zwei Fragen gleichzeitig stellten, beantwortete sie auch beide gleichzeitig. Was sie sagte, war recht gut zu verstehen; die beiden brachen in Gelächter aus und wollten wissen, wo sie das gelernt habe.
    Das Stirnrunzeln des älteren Jungen verwandelte sich in Entschlossenheit. Er wusste, was er zu tun hatte.

    Kaye und Mitch riefen überall auf der Straße nach ihr. Die Polizei um Hilfe zu bitten, wagten sie nicht; Arizona hatte sich am Ende ebenfalls der Ausrufung des Notstandes angeschlossen und schickte die neuartigen Kinder nach Iowa, wo sie untersucht und unterrichtet wurden.
    Kaye war völlig außer sich. »Es war nur eine Minute, nur …«
    »Wir finden sie schon«, sagte Mitch, aber seine Miene strafte ihn Lügen. In seinem dunkelblauen Anzug wirkte er auf der staubigen Straße zwischen den alten Häusern völlig unpassend. Der heiße Wind ließ ihren Schweiß trocknen. »Das ist einfach schrecklich«, sagte er zum tausendsten Mal. Es war eine vertraute Redewendung geworden, ein Ausdruck seiner Verbitterung. Mit Stella fühlte er sich vollständig, und Kaye vermittelte ihm ein Stück seines früheren Lebens. Aber wenn er allein war, stand ihm die Anspannung bis zum Hals, und er dachte ein ums andere Mal, wie schrecklich er alles fand.
    Kaye griff nach seinem Arm und wiederholte, es tue ihr so Leid.
    »Nicht deine Schuld«, erwiderte er, aber er war immer noch sehr wütend.

    Das dünne Mädchen brachte Stella das Tanzen bei. Stella kannte schon viel Ballettmusik. Ihr Lieblingskomponist war Prokofjew, und die komplizierten Partituren gab sie als Mischung aus flötenden, pfeifenden und gurgelnden Geräuschen wieder. Ein kleiner blonder Junge, der noch jünger war als Stella, blieb immer in ihrer Nähe und sah sie mit großen braunen Augen interessiert an.
    »Was spielen wir denn jetzt?«, fragte das große Mädchen, als sie von den Versuchen, auf den Zehenspitzen zu stehen, genug hatte.
    »Ich hole das Monopoly«, erklärte ein achtjähriger Junge mit Sommersprossen der besser bekannten Art.
    »Können wir auch Othemo spielen?«, fragte Stella.
    Sie suchten schon seit einer Stunde. Kaye blieb kurz auf einer
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