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Das Crusenriff

Das Crusenriff

Titel: Das Crusenriff
Autoren: Hubert Haensel
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Hütte.
*
    Die Schlange Yhr, die Caerylls Fliegende Stadt Carlumen in sich trug, hatte sich wieder in die Schattenzone zurückgezogen. Das Steuerpendel war über dem Siebenstern nahezu zum Stillstand gekommen.
    »Das bedeutet«, sagte der Kleine Nadomir, »daß wir mit der Strömung treiben. Yhr wird erschöpft sein durch ihre eigene Hinterlist.« Er sagte dies mit lauter werdender Stimme und blickte sich herausfordernd um, doch die Schlange blieb verborgen. Nur ein leises, durchdringendes Zischen antwortete ihm.
    »Das klingt spöttisch«, bemerkte Gerrek.
    Der Königstroll verzog die Lippen zu einem geringschätzigen Lächeln.
    »Und wenn schon. Yhr ist unsere Gefangene, sie hat zu gehorchen, ob es ihr paßt oder nicht.«
    Die fünf Kristalle des DRAGOMAE ruhten an verschiedenen Eckpunkten des Siebensterns. Zögernd verschob der Kleine Nadomir zwei von ihnen zu den Spitzen hin; die Bewegung des Pendels wurde daraufhin heftiger.
    »Etwas hat sich verändert…«
    »Sehr viel sogar«, brummte Gerrek, der sich in der Wand mit Caerylls Lebenskristall spiegelte. »Wäre ich nur in Orphals Reich nebenan geblieben, wo ich endlich meine wirkliche Gestalt als Mandaler zurückerlangte. Du hättest sehen sollen, welch ranker Jüngling ich einst war, ehe diese vermaledeite Hexe mich verwandelte. Und jetzt? Allem Anschein nach bin ich noch häßlicher geworden…«
    »Ganz sicher nicht«, meinte Nadomir. »Häßlicher als du gewesen, kann man überhaupt nicht werden.«
    Das Lachen, das sich in die Gesichter seiner Gefährten stahl, ließ Gerrek begreifen.
    »Ich verlange Genugtuung«, schrie er. »Du kannst die Waffen wählen, Zwerg.«
    Der Königstroll ließ sich Zeit, ehe er sich umwandte, dann sah er den Mandaler von unten herauf treuherzig an.
    »Also gut«, nickte er. »Wenn du es nicht anders willst, kämpfen wir mit dem Verstand.«
    »Was…?« Gerrek schluckte krampfhaft, und seine Glubschaugen quollen weit aus ihren Höhlen hervor. »Eigentlich… ich meine, weshalb sollte ich dich… wir sind doch Freunde, Nadomir, oder? Entschuldige dich für deine Bemerkung, und ich bin bereit, die Sache zu vergessen.«
    »Ich wüßte nicht, weshalb. Du wolltest den Zweikampf, also sollst du ihn bekommen. Niemand wird sagen können, der Kleine Nadomir fürchte sich vor einem Großem…« Gerrek hustete so laut, daß der Rest in dem Lärm unterging.
    »Schluß mit dem Blödsinn!« befahl Mythor. »Sagt mir endlich, wo wir uns befinden.«
    Der Sohn des Kometen breitete Caerylls Landkarte auf dem Steuertisch aus; der Königstroll reichte ihm das DRAGOMAE-Bruchstück, mit dem er alle Eintragungen zumindest deuten konnte, die mit bloßem Auge nicht einmal sichtbar waren. Unaufgefordert trat auch Robbin hinzu, der Pfader.
    »Diese Linie«, seine dürren Finger huschten über die vergilbte Karte, »bezeichnet den Ast, auf dem wir uns bewegen. Er führt tiefer in die Schattenzone hinein.«
    Mythor nickte.
    »Hier sind Strudel eingezeichnet und jenes Symbol, das Caeryll häufig für eine unbekannte Gefahr setzte.«
    Vor ihren Augen schienen die Eintragungen zu verschwimmen, als würde jeder einzelne Strich in Bewegung geraten. Es war, als blicke man auf die Wogen eines rasch dahinfließenden Gewässers.
    »Mir gehen die Augen über«, ächzte Mythor und legte den DRAGOMAE-Kristall zurück. Mit den Fingerspitzen massierte er seine Schläfen. »Wahrscheinlich bin ich übermüdet.«
    »Kaum«, meinte Nadomir. »Was du siehst, ist beabsichtigt. Ich vermute, Caeryll wollte damit auf etwas Besonderes hinweisen.«
    »Frage ihn doch«, schlug Gerrek spöttisch vor. »Womöglich kann er sich sogar erinnern.«
    »Das ist unnötig.« Robbin tupfte auf die betreffende Stelle der Karte. »Diese Zeichnung ist ein Meisterwerk, und fast könnte man glauben, ihr wohne eine eigene Art von Magie inne. Alles scheint sich zu bewegen, selbst die Strudel, aber wenn du noch genauer hinsiehst, wirst du erkennen, daß es eine Stelle gibt, die davon nicht betroffen ist.«
    »Richtig«, stellte Nadomir fest. »Du weißt demnach, wo wir uns befinden?«
    » Carlumen ist in das Riffland eingedrungen, eine schroffe, offenbar starr verankerte Landschaft, die nicht mit der Schattenzone driftet, in der aber dafür eine um so stärkere Strömung herrscht. Von uns Pfadern wird diese Zone wegen ihrer Tücken gemieden.«
    Denkbar schlecht war die Sicht durch das Bugfenster. Der Nebel, in den die Fliegende Stadt eindrang, wurde zunehmend dichter.
    »Wir passieren eine Region, in
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