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Das Crusenriff

Das Crusenriff

Titel: Das Crusenriff
Autoren: Hubert Haensel
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schwieg aber betreten, als Mythor sich zu ihm umwandte. Sein Blick ging durch den Sohn des Kometen hindurch und verlor sich in endloser Ferne. Mythor gewann den Eindruck, daß der Götterbote ihm etwas hatte mitteilen wollen, im letzten Moment aber davor zurückgeschreckt war.
    Cryton wirkte wie versteinert. Selbst als Mythor ihn berührte, zeigte er keine Regung. Dafür begannen seine Körperbilder sich in rascher Folge zu verändern. Eine unbeschreibliche Faszination ging von ihnen aus, der keiner sich entziehen konnte.
    Da war ein großer, funkelnder Kristall, eine Kugel, die das Licht in vielen Farben brach und zurückwarf. Mythor erkannte sie sofort als das, was sie einmal gewesen, was er vor nunmehr achtzehn Monden für kurze Zeit besessen hatte: das DRAGOMAE.
    Unbeschreiblich, wie die Bilder einander glichen, denn das Zauberbuch der Weißen Magie zerbarst, und seine Bruchstücke wurden in alle Winde verstreut.
    Wie ein winziger, glühender Stern wirbelte einer der Kristallsplitter durch die Finsternis. Luft und Wasser, Feuer und Erde waren seine Begleiter, bis schließlich zerklüftetes Land sichtbar wurde, das inmitten endloser Schwärze schwebte. Nur hin und wieder zuckten grelle Blitze auf und ließen mehr erkennen.
    Die Strömung schwerer Luft hatte die Felsen ausgehöhlt und unterspült. Die zum Teil steil abfallenden Hänge wirkten, als hätten zürnende Götter unzählige Kerben in das Gestein geschlagen.
    Erst als die Bilder deutlicher wurden, erkannte Mythor, daß Kolonien muschelähnlicher Tiere sich auf den Hängen angesiedelt hatten.
    Auf eines davon trieb das Bruchstück des DRAGOMAE zu. Etwas, das wie ein rüsselähnlicher Fangarm aussah, quoll unter der Muschelschale hervor und sog den Kristall in sich auf.
    Die Faszination von Crytons Körperbildern erlosch schlagartig. Zugleich erwachte er aus seiner Starre.
    »Was wolltest du mir zeigen?« fragte Mythor. »Liegt ein weiteres Bruchstück des Zauberbuchs im Riffland verborgen?«
    Der Götterbote antwortete ihm nicht.
    »Ich muß es, wissen!« drängte Mythor. »Vielleicht haben wir nicht viel Zeit, um den Kristall zu finden.«
    Um Crytons Mundwinkel begann es zu zucken. Sein Gesicht hatte einen harten, abweisenden Ausdruck angenommen. Es schien, als bereue er, dem Freund die Vision gezeigt zu haben. Abrupt wandte er sich ab und eilte mit raschen Schritten der Magierstube zu.
    »Es tut ihm leid«, bemerkte auch Nadomir.
    »Weshalb hat er uns dann den Hinweis gegeben?«
    Der Troll breitete entschuldigend die Arme aus.
    »Bin ich allwissend? Womöglich geschah es wider seine Absicht.«
    »Ich glaube, Cryton hat ein Tabu übertreten, als er dir den Kristall auf seine Weise zeigte«, bestätigte Robbin. »Du solltest ihm nachgehen und ihn wissen lassen, daß wir zu ihm stehen.«
    Mythor hatte bereits den Durchgang zur Magierstube erreicht. Auf der Treppe, die zum Bugkastell hinaufführte, hörte er Schritte.
    »Cryton«, rief er, »warte!«
    »Hier ist kein Cryton.« Vorsichtig tappte der Beuteldrache die Stufen herab.
    »Stehst du schon lange da oben?«
    »Wie man’s nimmt«, entgegnete Gerrek. »Stört es dich, wenn ich mich ein wenig nach Ruhe sehne?« Das klang gereizt.
    »Keineswegs«, besänftigte Mythor. »Aber der Götterbote muß an dir vorbeigekommen sein.«
    Gerrek seufzte. Aus seinen Nüstern ringelten sich zwei rasch verwehende Rauchwölkchen.
    »Weder bin ich stockbesoffen, noch ein blindes Huhn, falls du das glaubst. Ich weiß überhaupt nicht, was du von mir willst.«
    »Möglich, daß er in die Waffenkammer hinabgestiegen ist«, gab Nadomir zu bedenken, der Mythor gefolgt war.
    »Ausgeschlossen. Das hätte ich von der Brücke aus sehen müssen. Nein, Cryton ist hier entlang.«
    »Dann hat er sich in Luft aufgelöst. Mag sein, daß Yhr damit zu tun hat.«
    »Der Götterbote wüßte sich zu verteidigen. Nein, ich glaube eher, daß unser wachsamer Beuteldrache geschlafen hat.« Als Gerrek zu heftigem Widerspruch ansetzen wollte, fuhr Mythor ungerührt fort: »Du solltest dich auf die Beine machen und Cryton suchen.«
    Der Mandaler murmelte eine Reihe von Verwünschungen, fügte sich aber der Anordnung.

2.
    Etwas Unheimliches lag über dem Riff, das sich düster und drohend jedem Eindringling entgegenstellte. Zeitweise war die Strömung reißend, brach sich an schroffen, zerfurchten Hängen und sorgte dafür, daß nichts wirklich Bestand hatte. In engen Seitentälern sammelte sich Schwere Luft, legte sich erdrückend auf Pflanzen und
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