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Das Camp

Titel: Das Camp
Autoren: Harald Tondern
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gleichzeitig stießen die beiden Männer die Türen auf.
    »Bin gleich wieder da«, hörte Luk den Pferdeschwanz sagen.
    »Ich auch«, sagte der andere.
    Durch die Frontscheibe sah Luk einen Mann in einem olivgrünen
T-Shirt. Der dünne Stoff spannte sich über ungewöhnlich breiten Schultern und gewaltigen Muskelpaketen. Der Kerl musste sein halbes Leben in Fitnessstudios verbracht haben, und er wollte, dass man das sah. Vielleicht war er aber auch Boxer. Er hielt seinen kahl geschorenen Kopf leicht geneigt, so als sei er jeden Moment darauf vorbereitet, den nächsten Angriff zu kontern.
    Das musste der Typ sein, der ihm vorhin auf der Straße die Arme nach hinten gerissen hatte. Kein Wunder, dass er keine Chance gehabt hatte.
    Mit tänzelnden Schritten bewegte sich der Mann auf einen Baum zu, baute sich breitbeinig davor auf und machte sich vorn an seinen Jeans zu schaffen. Luk sah sich hastig im Wagen um. Vielleicht konnte man die Türsicherung mit den Zähnen …
    »Ahhhh!«, entfuhr es dem Boxer draußen, so laut, dass man es bis in den Wagen hinein hören konnte. Während er sich erleichterte, drehte er den Kopf und linste zum Wagen zurück.
    Luk, der schon dicht an die andere Tür gerutscht war, erschrak. Aber dann musste er grinsen. Das war ja gerade der Vorteil von dunklen Seitenscheiben. Von draußen kann man nicht sehen, was im Wagen passiert.
    Er beugte sich zu dem Hebel der Türsicherung hinunter. Doof war, dass er nicht wirklich was erkennen konnte. Doch mit der Zunge hatte er keine Chance, damit hatte er zu wenig Kraft. Aber mit der Nase vielleicht. Er presste seine Nase in eine Mulde und versuchte, den Hebel darin zur Seite zu drücken …
    Die Tür öffnete sich leichter, als er erwartet hatte. Sie schwang immer weiter auf. Dann sah er die Jeansbeine, die in der Öffnung erschienen. Eine Hand krallte sich in seine Haare und zerrte ihn mit Schwung aus dem Wagen.

    Im Fallen versuchte Luk noch, sich auf den Rücken zu drehen, um sein Gesicht zu schützen. Aber er schaffte nur die halbe Drehung. Seine rechte Wange rutschte über Tannennadeln und schrammte dann über einen halb vermoderten Ast, der aus dem Boden herausragte. Ein Stück Holz bohrte sich in seine Haut.
    Der Typ mit dem blonden Pferdeschwanz packte ihn mit einer Hand im Nacken, riss ihn hoch und warf ihn gegen die weit geöffnete Autotür. »Kleiner, du bist lästig.«
    »Wer sind Sie überhaupt?«
    »Schnauze!«
    »Was wollen Sie eigentlich? Geld? Mein Vater ist nicht reich. Der kann keine Millionen zahlen.«
    »Sag mal, hörst du schlecht? Schnauze, hab ich gesagt.«
    Der Boxer kam um den Wagen herum. Er hatte einen blauen Plastiksack in der Hand. Als er den auseinanderfaltete, rutschten die Ärmel seines T-Shirts nach oben und gaben den unteren Rand seiner Tätowierungen frei. »Wollte er abhauen?«
    Der Pferdeschwanz zuckte nur die Achseln.
    Luk sah erschrocken auf den Plastiksack. Wollten sie ihm den jetzt etwa über den Kopf ziehen?
    »Den Schlüssel hast du, Harry.«
    Harry wühlte in seinen Hosentaschen. »Nee, den hab ich dir gegeben, Schmeling.«
    »Klar.« Schmeling streckte die Hand aus und fuhr mit dem Finger in das Geldtäschchen von Harrys Jeans. Er zog einen kleinen, leuchtend blauen Schlüssel heraus und hielt ihn Harry unter die Nase. »Und was ist das hier?«
    Luk musste sich umdrehen. Schmeling stocherte im Schloss der Handschellen herum. Endlich knackte es und die Stahlbänder öffneten sich.

    Vielleicht war ja doch alles nur ein verrückter Gag, den sich irgendjemand für ihn ausgedacht hatte. So wie manche Leute eine Stripteasetänzerin dafür bezahlen, dass sie bei einem Kumpel in die Geburtstagsparty hineinplatzt.
    Aber wer, überlegte er, während er seine tauben Handgelenke massierte und gleichzeitig den Splitter in seiner rechten Wange betastete, wer zum Teufel konnte diese idiotische Entführungs-Show angeleiert haben? Wer kannte überhaupt so abgedrehte Typen wie diesen verhinderten Schwergewichtsweltmeister mit seinen prolligen Tattoos auf den Muskelpaketen und diesen freundlich grinsenden, blonden Pferdeschwanz-Hippie?
    Schmeling stieß ihm den blauen Plastiksack gegen den Bauch. »Los, mach endlich. Ausziehen!«
    »Häh?« Was war das denn jetzt? Waren das also doch schwule Lustmolche, die ihn hier im Wald …?
    Luk schaffte es nicht, den Gedanken zu Ende zu denken. Er sah die Linke noch nicht mal kommen. Ohne jede Warnung schoss Schmelings Faust vor. Quatsch, von Faust konnte keine Rede sein, einfach nur
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