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Das Camp

Titel: Das Camp
Autoren: Harald Tondern
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Aber so richtig funktionierten sie noch nicht wieder. Als er den nächsten Stoß bekam, rutschte er ab. Kopfüber fiel er nach vorn und landete draußen auf den Betonplatten.

    Während er spürte, wie ihm der raue Beton die Hände und Knie aufschrammte, hörte er, wie hinter ihm die Tür des Kleinbusses zugeschoben wurde.
    Dann fuhr der Wagen los.
    Noch nie in seinem Leben hatte Luk sich so verlassen gefühlt. Er wollte aufspringen und hinter dem Wagen her rennen. Als ob ausgerechnet Schmeling und Harry die Rettung für ihn gewesen wären.
    Aber Luk rührte sich nicht.
    Er lag mit dem Bauch auf den Betonplatten und wagte kaum, Luft zu holen.
    Die beiden Schäferhunde hatten sich auf ihn gestürzt. Einer von ihnen war auf seinen Rücken gesprungen. Luk spürte die Zähne des Tieres in seinem Genick. Der hechelnde heiße Atem des Hundes verursachte Gänsehautschauer auf seiner nackten Haut.
    Eine einzige falsche Bewegung, da war Luk sicher, und der Schäferhund würde zubeißen.

5
    Der Raum hatte nur ein einziges Fenster. Es war hoch oben in der Wand, knapp unter der Decke, vielleicht einen Meter breit, aber so schmal, dass es noch nicht mal vergittert war.
    Sonst gab es nichts in dem Raum. Keinen Tisch, keinen Stuhl, kein Bett. Nur eine Glühbirne an der Decke, in einer blanken Metallfassung.
    Luk lehnte nackt an der Mauer. Mit den Augen suchte er den Raum ab: die Risse an der Decke, die Spinnenweben in
den Ecken. Er war sicher, dass er beobachtet wurde. Dass irgendwo eine Kamera installiert war.
    Er wartete, dass etwas passierte. Eine Stunde vielleicht. Aber es konnten auch zwei sein. Die Armbanduhr hatten sie ihm abgenommen.
    Er stand längst nicht mehr an die Wand gelehnt. Um sich gegen die Kälte zu schützen, hatte er sich mit angezogenen Beinen auf den fleckigen Zementboden gesetzt, die Arme um die Unterschenkel geschlungen.
    Als er aus dem Bus gestürzt war, hatten die beiden Männer die Hunde zurückgerufen. Sie hatten ihn von beiden Seiten unter den Achseln gefasst und durch das Tor gezerrt. Die Schäferhunde schnappten dabei nach seinen Hacken.
    Luk war erleichtert gewesen, als die Männer ihn in diesen Raum stießen und die Tür hinter ihm zuschlugen.
    Endlich war er die Hunde los.
    Aber langsam wurde er ungeduldig. Die wollten ihn doch wohl nicht die ganze Nacht in diesem kahlen Raum versauern lassen, ohne einen einzigen Fetzen auf dem Leib.
    Endlich Schritte. Jemand blieb vor der Tür stehen, drehte einen Schlüssel im Schloss. Die Klinke wurde hinuntergedrückt und einer der beiden Männer von vorhin erschien in der Öffnung, der größere von ihnen. Er hatte ein Klemmbrett in der Hand.
    Er blieb in der Tür stehen und zückte einen Kugelschreiber. Gleichgültig sah er Luk an. »Name?«
    Luk konnte es nicht fassen: Sah der Kerl denn nicht, dass er fror? Er zitterte vor Kälte.
    »Krieg ich endlich was zum Anziehen?«
    Der Mann zuckte die Achseln, steckte seinen Kugelschreiber wieder ein und ging.

    Erst als sich der Schlüssel wieder im Schloss drehte, wurde Luk klar, dass er einen Fehler gemacht hatte.
    »Warten Sie!«, rief er. »Ich wollte doch nur …«
    Aber es war zwecklos. Die Schritte entfernten sich. Eine Tür schlug zu. Dann war es wieder still.
    Wieder vergingen Stunden. Luk versuchte in regelmäßigen Abständen, aufzustehen und auf der Stelle zu rennen. Die ersten Male dachte er daran, wie lächerlich das wahrscheinlich aussah, wenn sie ihn wirklich irgendwo auf dem Bildschirm hatten. Aber sollten sie doch. Er hatte jedenfalls keine Lust, sich hier eine Lungenentzündung oder sonst was zu holen.
    Draußen, hinter dem schmutzigen Glas des schmalen Fensters, dämmerte es schon, als er das nächste Mal Schritte hörte.
    Diesmal, das hatte er sich vorgenommen, würde er antworten, wenn der Große wieder mit seinem Klemmbrett hereinkam. Vielleicht gaben sie ihm ja dann endlich was zum Anziehen.
    Die Schritte kamen direkt auf seine Tür zu. Gleich würde sich wieder der Schlüssel im Schloss drehen. Luk erhob sich. Er saß sowieso schon viel zu lange auf dem kalten Zement. Sein Vater hatte ihn oft genug gewarnt, dass man sich dabei eine Blasenentzündung holen konnte. Als Arzt kannte er sich mit so was natürlich aus.
    Doch die Schritte zögerten noch nicht mal. Sie gingen einfach an seiner Tür vorbei und entfernten sich.
    »Hallo!«, rief Luk.
    Vielleicht hatten sie ihn ja vergessen. Die beiden Typen mit den Schäferhunden hatten Schichtwechsel gehabt und nicht daran gedacht, ihre Ablösung zu
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