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Das Camp

Titel: Das Camp
Autoren: Harald Tondern
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die flache Hand war es. Aber der Schlag war so gewaltig, dass Luk das Gefühl hatte, der Kopf werde ihm abgeschlagen. Zugleich wurde ihm klar, dass es natürlich genau die Wange mit dem Splitter getroffen hatte.
    »Ausziehen!«, wiederholte Schmeling, und sein Ton ließ keinen Zweifel daran, dass er erneut zuschlagen würde, wenn Luk nicht auf der Stelle gehorchte.
    »Okay, okay«, lenkte Luk ein. »Ich weiß zwar nicht, was das soll. Aber ich will keinen Streit. Der Klügere gibt nach.«
    Er hatte das als Joke gemeint. Kein bisschen aggressiv. Er hatte einfach nur die Stimmung ein bisschen lockern wollen. Aber diesmal war Schmelings Linke schon nicht mehr ganz
so flach - und das Dröhnen in Luks Kopf kaum noch auszuhalten. Luk zog hastig sein Shirt über den Kopf, um eindeutig klarzustellen, dass er kapiert hatte.
    Schmeling nickte anerkennend. Er zeigte in den Sack. »Rein damit. Und dann gleich weiter.«
    Eine Minute später stand Luk nur noch in der Unterhose vor den beiden. Hose, Schuhe, Socken, sogar seine schwarze Funkarmbanduhr hatte er in den blauen Sack geworfen.
    Schmeling deutete mit dem Kinn auf den Slip.
    Luk wollte protestieren. »Aber …«
    Schmeling hob die Hand und wollte ausholen, diesmal mit der Rechten.
    »Okay, okay.« Luk zog den Slip aus und warf ihn in den blauen Plastiksack. Irgendwo an einem Waldweg stand er nun splitternackt vor diesen beiden fremden Männern.
    »Zieh das hier an!« Harry hielt ihm einen orangefarbenen Overall hin, frisch gewaschen und sogar gebügelt.
    »Und was kommt dann?«, fragte Luk.
    »Dann fahren wir weiter.«
    »Dürfte ich vielleicht fragen, wohin wir fahren?« Es schien ihm klüger, nicht zu sehr aufzutrumpfen.
    »Wirste schon merken.«
    »Ich wollte eigentlich nur wissen, ob die Fahrt noch sehr lange dauert. Sonst würde ich gern auch noch schnell …«
    »Pullern?«
    »Na ja, ich dachte …«
    »Dass du an den Baum dahinten gehst und abhaust, was? Und wir rennen uns dann die Lunge aus dem Hals, um dich wieder einzufangen.« Schmeling schüttelte den Kopf. »Nee, nicht mit mir!«
    »Und wenn er uns in den Wagen macht?«
    »Soll er doch.«

    »Und wir sitzen dann wieder stundenlang in dem Gestank. Wie bei diesem Zwerg neulich.«
    Schmeling verzog angewidert das Gesicht. »Also gut. Knie dich hin. Mach schon.«
    Erst als Luk schon vor den beiden auf dem Waldboden kniete, kapierte er. Die erwarteten doch wohl nicht im Ernst, dass er hier splitterfasernackt pinkelte, während sie ihm dabei zusahen.
    Schmeling sah auf seine klobige Piloten-Armbanduhr. »Eine Minute. Dann bist du fertig.«
    Nee, dachte Luk.
    »Noch 45 Sekunden«, sagte der Boxer.
    Luk schüttelte den Kopf.
    »30 Sekunden.«
    Luk schloss die Augen und ließ es einfach laufen. -
    Der orangefarbene Overall war, wie sich herausstellte, mindestens zwei Nummern zu klein. Luk musste sich ein wenig in sich zusammensinken lassen, damit er überhaupt den Reißverschluss zubekam.
    Harry holte eine Art Fernbedienung unter dem Fahrersitz hervor. Er richtete sie auf Luk und drückte auf den roten Knopf. »Funktioniert«, sagte er zufrieden.
    Luk hatte keine Ahnung, was er meinte. Dann sah er an sich hinunter. In den groben Stoff des orangefarbenen Overalls mussten winzige Lämpchen oder Lichtfäden eingewebt sein, die aufgeregt blinkten.
    Harry drückte auf einen blauen Knopf. Irgendwo im Overall begann ein durchdringendes, auf- und abschwellendes hohes Pfeifen. Harry schaltete das Gerät wieder aus. »Nur für den Fall, dass du vorhast, uns auszutricksen. Wir finden dich. Und jetzt umdrehen!«
    Die Handschellen schnappten wieder zu.

3
    Luk hatte längst jedes Zeitgefühl verloren. Er hätte nicht mal genau sagen können, wie lange es dunkel war. Er wusste auch nicht genau, wo sie eigentlich waren. Irgendwo auf der Autobahn. Die Handschellen hatten beim Sitzen derart in seinen Rücken gedrückt, dass er nach einer bequemeren Position gesucht und sich schließlich auf der Rückbank auf die Seite gelegt hatte. Wenn er sich mit dem einen Fuß am Vordersitz abstützte, ging es einigermaßen.
    Hin und wieder stemmte er sich so weit hoch, dass er über die Rückenlehnen hinweg einen Blick durch die Frontscheibe werfen konnte. Zuerst hatte er sich alle paar Minuten hochgereckt. Seit die Spannungen in seinem Nacken immer schmerzhafter wurden, machte er größere Pausen. Viel zu sehen gab es sowieso nicht mehr. Außer den roten Rücklichtern der Autos vor ihnen.
    Schmeling saß am Steuer. Als er jetzt hart auf die Bremse
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