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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
Autoren: Kai Meyer
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zwischen Daumen und Zeigefinger. »Schwarze Erde«, flüsterte er. »Teufelserde.«
    »O, ich bitte dich … Der T eufel hatte nun wirklich nichts damit zu tun. «
    Über ihnen knirschte rostiges Eisen im Wind. Schüttelte der Leere Ritter Ranulf den Kopf? Der Helm, in dem wohl noch immer ein Totenschädel auf ein christliches Begräbnis wartete, hatte sich halb aus einer Kettenschlaufe gelöst. Wahrscheinlich würde er bald herunterfallen, und dann wollte Aelvin nicht daneben stehen. Kein Zweifel, wem Abt Michael die Schuld an der Schändung des Toten geben würde, ganz gleich, wie oft Aelvin beteuern mochte, dass der Wind allein den Helm herabgeweht hatte.
    » Komm «, sagte er, » lass uns reingehen. «
    Odo schüttelte energisch den Kopf. » So kannst du den anderen nicht unter die Augen treten.«, sagte er naserümpfend. »Du siehst aus, als hätte dich eine Kuh überrannt. Mitten im Schweinekoben.«
    Aelvin zögerte und blickte zum Kloster hinüber. Die Stallungen, von denen es eine ganze Menge gab, drängten sich außerhalb der Mauer, ein schäbiges Spalier aus Hütten rechts und links des Weges. Das Tor stand offen, weil immer noch vereinzelte Bauern aus der Gegend ein- und ausgingen; arme Schlucker, die den Mönchen ihre Rinder verkauften, damit diese aus der Kuhhaut Pergament für ihre Codices herstellen konnten.
    Das Kloster bestand aus einer Ansammlung hölzerner Gebäude, die sich um eine schlichte Kirche scharten, das einzige Bauwerk aus Stein – mit Ausnahme der Mauer, durch die man die alte Holzpalisade ersetzt hatte, die während eines Sturms auseinander gebrochen war. Ein Sturm, der allerdings den klappernden Ritter Ranulf auf seinem Pflock gänzlich unbeschadet gelassen hatte.
    Im Süden, gleich neben der Abtei und ihrer hohen Mauer, klaffte eine tiefe Schlucht. Die Kante der Steilwand war unbefestigt, und jeder, der im Kloster aufgenommen wurde, musste als Erstes eine Litanei von Warnungen über sich ergehen lassen, dem Abgrund nicht zu nahe zu kommen. Gefährlicher aber noch als die brüchige Felskante war das uralte römische Aquädukt, das sich auf hohen Steinsäulen über die Klamm zog, rund hundert Schritt von einer Seite zur anderen. Dort drüben führte es in den Wald, ein hellbraunes Band, das alsbald unter Moos und Gestrüpp verschwand. Auf der Klosterseite reichte die Wasserleitung bis nah an die Mauer und brach dort ab, sodass man in ihr Inneres blicken konnte – ein rabenschwarzer Tunnel, nur knapp anderthalb Schritt hoch und gerade mal einen breit. Sie war bogenförmig gemauert, mit dicken Wänden, was sie von außen weit geräumiger erscheinen ließ als von innen. Es hieß – noch eine dieser Geschichten, um die Novizen zu erschrecken –, ein junger Mönc h h abe sich einmal dazu hinreißen lassen, in das Aquädukt hineinzuklettern, geradewegs über den Abgrund hinweg. Allerdings sei er nie auf der anderen Seite angekommen, denn auf halber Strecke war er stecken geblieben, unerreichbar für jede Hilfe von einem der beiden Enden. Dort habe er tagelang geschrien, bis der Herr sich seiner erbarmte und ihn zu sich nahm. Seine Gebeine lagen angeblich noch immer irgendwo im Dunkeln, hoch über der Schlucht, weil danach niemand je gewagt hatte, hindurchzuklettern. Mittlerweile war das Mauerwerk baufällig, und nach jedem Winter warteten die Mönche darauf, dass die Säulen nachgaben und die Wasserleitung hinab in die Tiefe stürzte.
    » Also? « Odos Zähne klapperten vor Kälte. » Was willst du tun? «
    Aelvins Blick wanderte von seinem Freund zu den Ställen hinüber. Auf dieser Seite der Holzhütten war niemand zu sehen. Hinter einem windschiefen Gatter stand ein einzelnes dürres Schaf im Schnee und starrte aus dunklen Augen zu den beiden Novizen herüber. Irgendwo jenseits der Hütten bellte ein Hund.
    Odo redete weiter auf ihn ein, machte Aelvin Vorwürfe, schimpfte auf das Teufelsmädchen aus den Wäldern, auf Aelvins Dummheit und über den Leichtsinn, mit dem er sein warmes Lager im Kloster aufs Spiel setzte.
    Aelvin lächelte plötzlich. » Warmes Lager? Bei Gott, Odo, das ist es! «
    Sein Freund runzelte die Stirn. Er ahnte, dass, was immer Aelvin in den Sinn gekommen war, nur zu weiteren Katastrophen führen würde.
    » Ein warmes Lager! « Aelvin sah von Odo zum Schafstall, dann hinüber zum Aquädukt. » Wir werden erzählen, ich hätte zufällig beobachtet, wie ein Schaf ins Innere der Wasserleitung gelaufen sei. Natürlich bin ich sofort hinterhergelaufen und habe es
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