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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
Autoren: Kai Meyer
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unter Einsatz meines Lebens und mit dem Beistand des Herrn gerettet. « Er strahlte. » Nur mein Ornat ist etwas schmutzig geworden. Und mein, sagen wir, linker Fuß ist verstaucht. Tja, da werde ich die Nacht wohl im Infirmarium verbringen müssen. «
    Odo starrte ihn mit offenem Mund an. » Das ist die abwegigste Ausrede, die ich jemals gehört habe. Selbst von dir. «
    » Ach was. « Aelvin winkte ab.
    » Der Abt wird dich aus dem Kloster jagen! «
    » Von wegen. Ein gemütliches Feuer, weiche Decken, vielleicht ein Becher heißer Honigwein. « Das Infirmarium, das Krankenquartier des Klosters, versprach alle nur denkbaren Annehmlichkeiten – jedenfalls für einen Novizen wie Aelvin, der die ersten Jahre seiner kirchlichen Erziehung in einer Bettlerabtei der Dominikaner zugebracht hatte. Erst mit elf war er zu den Zisterziensern übergetreten – nicht ganz freiwillig.
    Nun aber sah er die Freuden des Infirmariums schon deutlich vor sich, ja, er spürte beinahe, wie die wohlige Wärme des Weins durch seine Glieder kroch. » Das ist das Paradies auf Erden, Odo! Das Paradies! «
    » Das Paradies wirst du vielleicht sehen, wenn dir der Abt erst den Kopf abgerissen hat. « Odo bekreuzigte sich. » Du kannst dich nicht schon wieder krank stellen. «
    » Warum nicht? «
    » Weil niemand dir abnehmen wird, dass du in drei Wochen zum zweiten Mal das Bett hüten musst. Niemand schläft so oft im Infirmarium wie du. «
    » Vielleicht friert einfach keiner so sehr wie ich. «
    » Ich schon. «
    » Nicht genug. Sonst hättest du längst die Nase voll von zugigen Novizenzellen und kratzenden Decken voller Flöhe. «
    » Das ist es nun mal, was uns zusteht. «
    » Papperlapapp! « Aelvin begann sogleich, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Er raffte seine Kutte ein Stück nach obe n u nd stiefelte durch den Schnee auf das Gatter zu, hinter dem das Schaf ihn neugierig anglotzte. » Alle werden begeistert sein, dass ich das arme Tier gerettet habe. Nicht mal die Verletzung, die ich mir im Aquädukt geholt habe, hat mich von dieser Heldentat abhalten können. « Und sogleich begann er, demonstrativ das linke Bein nachzuziehen.
    Odo verdrehte die Augen. » Das wird übel enden. «
    » Statt herumzuunken, solltest du lieber aufpassen, das s uns keiner sieht. «
    Odo schlug abermals ein Kreuz, sandte ein knappes Stoßgebet zum Himmel und folgte Aelvin widerwillig und leise vor sich hin brummelnd zum Zaun. » Der Herr wird uns strafen, falls es der Abt nicht tut. Beide werden sie uns strafen, auf Erden und – gelobt sei der Herr – im Himmel! «
    » Der Herr ist auf meiner Seite, das siehst du doch!« Aelvin deutete aufwärts in die dichter fallenden Schneeflocken. »Bei dem Wetter wird niemand nach Spuren suchen. Das ist perfekt!«
    Er blickte sich ein letztes Mal nach unlie bsamen Zeugen um, dann öffnete er das Gatter und hob das magere Schaf vorsichtig mit beiden Armen quer vor seine Brust. Das Tier machte ein überraschtes Geräusch, wehrte sich aber nicht; es schien eher verdutzt über so viel Aufmerksamkeit als verängstigt. Aelvin redete beruhigend auf das Schaf ein und stapfte dann ungelenk durch den hohen Schnee Richtung Klostertor. Er hatte das Gewicht des Tiers unterschätzt, und so drohte er bei jedem Schritt zu stürzen.
    » Sie nehmen ’ s dir nicht ab «, sagte Odo überzeugt. » Niemals glauben sie dir solch eine Geschichte. «
    » Wenn … ein anderer … sie bestätigt, dann schon «, keuchte Aelvin mühsam.
    » Dann lass mich raten, wer dieser andere sein soll. «
    Aelvin schenkte ihm über den Schafsrücken hinweg ein angestrengtes Lächeln. » Du hast was gut bei mir, Bruder Odo. «
    » Ich habe mehr gut bei dir, als du jemals zurückzahlen kannst, Bruder Aelvin. «
    » Du kannst dafür mein Abendessen haben. «
    » Ich bin aber nicht hungrig. «
    » Später wirst du es sein. « Aelvin verlagerte stöhnend das Gewicht des Schafs. » Kein anderer schleicht nachts so oft in die Küche wie du. Nicht mal ich. «
    Odo kratzte sich unter der Kapuze im Nacken. » Das ist harmlos im Vergleich zu – «
    Aelvin stolperte und hätte das Tier beinahe fallen lassen. Nun begann es zu strampeln.
    » Herr im Himmel! «, entfuhr es Odo ungeduldig. » Wer kann das schon mit ansehen! « Er nahm Aelvin das Schaf kurzerhand aus den Armen und trug es Richtung Tor. » Komm schon! Und, beim heiligen Benedikt, vergiss nur ja das Humpeln nicht. «
    ERDLICHT
    A u gen beobachteten Libuse aus der Dunkelheit zwischen den Bäumen. Große,
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