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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten
Autoren: Jonathan Kellerman
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klare Flüssigkeit gesammelt hatte.
    Hollywood, Vermont Avenue. Beide nach einem Streit um Geld von einem »Freund« erschossen.
    Ich blätterte weiter zu einem Foto, das weniger alt aussah - ein Schwarzweißabzug auf Hochglanzpapier. Nahaufnahme eines Paares in einem Wagen. Das Gesicht der Frau war wegen ihrer Position nicht zu erkennen - sie lag ausgestreckt über der Brust des Mannes, und ihr Kopf war von einer Masse platinblonder Locken umhüllt. Gepunktetes Kleid mit kurzen Ärmeln, die Haut der nackten Arme glatt und zart. Der Kopf ihres Begleiters ruhte an der Rückenlehne des Sitzes, die Augen starr zum Deckenlicht gerichtet. Ein schwarzes Rinnsal von Blut sickerte aus seinem Mundwinkel, teilte sich am Revers und floss an seiner Krawatte herab. Ein schmaler Schlips, dunkel, mit einem Muster aus fallenden Würfeln. Zusammen mit dem breiten Revers datierte dies die Aufnahme auf die fünfziger Jahre.
    Silverlake, Nähe Wasserreservoir. Ehebrecher; er erschießt sie, steckt sich anschließend den Lauf in den Mund.
    Seite vier: blasses, nacktes Fleisch auf der zerwühlten Bettwäsche eines Schrankbetts. Die dünne Matratze nahm fast die gesamte Bodenfläche einer düsteren, armseligen Schlafkammer ein. Auf dem Boden lag zusammengeknüllte Unterwäsche. Ein junges Gesicht, im Tod erstarrt, dunkle Flecke an den Schienbeinen; die gespreizten Beine lenkten den Blick auf den schwarzen Haarbusch dazwischen; die Strumpfhose bis zur Mitte der Waden heruntergezogen. Die Position des Mädchens ließ keinen Zweifel an der sexuellen Natur des Verbrechens, weshalb die Bildunterschrift mich kaum überraschte.
    Wilshire, Kenmore Street; Vergewaltigung und Mord. Siebzehnjährige Mexikanerin, von Freund erwürgt.
    Seite 5: Central, Pico Nähe Grand Avenue, 89jährige Frau wollte Straße überqueren, versuchter Handtaschenraub endete mit Totschlag durch Kopfverletzung.
    Seite 6: Southwest, Slauson Avenue. Schwarzer Glücksspieler, wegen Würfelspiel zu Tode geprügelt.
    Das erste Farbfoto fand sich auf Seite zehn: rotes Blut auf sandfarbenem Linoleum, die graugrüne Blässe, die verriet, dass die Seele den Körper verlassen hatte. Ein fettleibiger Mann in mittleren Jahren saß zusammengesunken da, umgeben von Stapeln von Zigaretten und Süßigkeiten. Sein himmelblaues Hemd war mit purpurroten Flecken beschmiert. Neben seiner linken Hand lag ein abgesägter Baseballschläger mit einem am Griff befestigten Lederriemen.
    Wilshire, Washington Boulevard nahe La Brea. Inhaber eines Spirituosengeschäfts, bei Raubüberfall erschossen. Hatte Widerstand geleistet.
    Ich blätterte schneller.
    Venice, Ozone Avenue. Kunstmalerin, von Hund des Nachbarn angefallen. Streit hatte sich über drei Jahre hingezogen.
    … Banküberfall, Ecke Jefferson und Figueroa. Kassierer leistete Widerstand, von sechs Schüssen getroffen.
    … Brutaler Straßenraub, Ecke Broadway und Fifth. Kopfschuss. Mutmaßlicher Täter blieb am Tatort, wurde beim Durchsuchen der Taschen des Opfers gestellt.
    … Echo Park, Frau von Ehemann in der Küche erstochen. Suppe angebrannt.
    Seite um Seite der immer gleichen grausigen Fotokunst, kommentiert in sachlichnüchterner Prosa.
    Warum hatte man es ausgerechnet mir geschickt? Die Frage erinnerte mich an einen alten Bilderwitz: Warum nicht?
    Ich blätterte die restlichen Seiten durch, ohne mir die Bilder genauer anzusehen, nur daran interessiert, irgendeine persönliche Botschaft zu finden.
    Alles, was ich fand, waren die leblosen Körper von Fremden. Dreiundvierzig Todesfalle insgesamt.
    Auf der allerletzten Seite eine weitere exakt zentrierte Inschrift, ebenfalls mit selbstklebenden Goldbuchstaben geformt:
    ENDE

4
    Ich hatte schon länger nicht mehr mit meinem besten Freund gesprochen, und das war mir ganz recht.
    Nachdem ich dem Staatsanwalt meine Aussage zu dem Mord an Lauren Teague abgeliefert hatte, wollte ich fürs Erste mit dem ganzen Polizei und Justizapparat nichts mehr zu tun haben und hatte absolut nichts dagegen, bis zum Prozess von weiteren Interna verschont zu bleiben. Ein begüterter Angeklagter und eine ganze Schar bezahlter Heuchler würden dafür sorgen, dass bis dahin nicht Monate, sondern Jahre verstrichen sein würden. Milo war weiterhin mit der Detailarbeit beschäftigt, was mir einen willkommenen Grund lieferte, ihm nicht zu nahe zu kommen: Der Mann hatte alle Hände voll zu tun, ich sollte ihm seine Ruhe lassen.
    Der wahre Grund war, dass mir der Sinn nicht danach stand, mit ihm oder irgendjemandem
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