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Das Buch der Schatten - Verwandte Geister: Band 8 (German Edition)

Das Buch der Schatten - Verwandte Geister: Band 8 (German Edition)

Titel: Das Buch der Schatten - Verwandte Geister: Band 8 (German Edition)
Autoren: Cate Tiernan
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haselnussbraunen Augen an. Ich wollte vor Entsetzen und Schmerz schreien, doch meine Stimme war erstickt und gebrochen. Mein Körper war auf einer Folterbank, er wurde gezwungen, sich zu biegen und unnatürlich zu verdrehen, als würde jeder einzelne Knochen in einem unbegreiflichen Albtraum gestreckt, zusammengestaucht oder verdreht. Hilflos wimmernd schloss ich die Augen und fiel zur Seite, unfähig, mich dagegen zu wehren. Als Ciaran mich mit der Schnauze anstupste, schlug ich zögernd wieder die Augen auf, und als ich aufstand, war ich auf allen vieren. Ich war ein Wolf.
    Mein Fell war dicht und rostbraun. Ich schaute an mir hinunter und sah vier gerade, starke Pfoten mit scharfen Krallen, die sich nicht einziehen ließen. Dann sah ich Ciaran an und erkannte ihn: Er war vollkommen er selbst und doch war er ein Wolf. Ich fühlte mich ebenfalls vollkommen ich selbst, aber als ich behutsam begann, meine inneren Vorgänge zu erkunden, fühlte ich mich doch ganz anders. Fremd. Wie ein Wolf und nicht wie ein Mensch. Es war, als wäre mein Menschsein eine aus Seilen geknüpfte Hängematte, die sich an einem Ende gelockert hatte – und jetzt musste ich zusehen, wie es sich auflöste. Bald würde es ganz verschwunden sein. Ich hatte zwei Gedanken: Wie kam ich zurück? Und was wurde aus meiner Mission?
    Ich trat näher an Ciaran, meine vier Beine bewegten sich geschmeidig, präzise, mühelos. Ich spürte, wie stark ich war, wie mächtig – mein Kiefer war schwer, meine Beine bestanden aus schlanken Muskeln, und ich atmete leicht, obwohl die Verwandlung extrem anstrengend gewesen war. Ciaran öffnete den Mund – die Schnauze – zu einem bösen wölfischen Grinsen, als wollte er sagen: Ist das nicht toll? Ich grinste zurück und wurde von einer plötzlichen Ekstase durchströmt, einem Hochgefühl, dass ich das hier erlebte. Instinktiv trat ich zu Ciaran und stupste ihn mit der Schnauze am Hals und er erwiderte die Geste.
    Da fiel mir plötzlich die Sigille des Ausspähens wieder ein. Der Wolf in mir wollte loslaufen und durch die dunkle Nacht stromern. Der letzte Rest der menschlichen Morgan erinnerte sich an die Sigille. Ich drückte mein Gesicht an das dichte Fell an Ciarans Hals und flüsterte den magischen Spruch hinein. Und dann zeichnete ich ihm in einer raschen, verzweifelten Bewegung mit meiner feuchten Wolfsnase die Sigille an den Hals.
    Ciaran reagierte nicht darauf, als hätte er es gar nicht mitbekommen, hätte nichts gespürt. Ich hatte keine Ahnung, ob sie halten würde, schließlich war er verwandelt. Dann stupste Ciaran mich mit dem Kopf, drehte sich um und lief in die Nacht. Durch und durch glücklich – alle Gedanken an Morgan und Missionen und magische Sprüche vergessen – sprang ich hinter ihm her. Meine Muskeln arbeiteten mühelos, es fiel mir nicht schwer, ihn einzuholen, und wir jagten nebeneinander her, während eine Million neuer Sinneseindrücke mein Tiergehirn überschwemmten. Mit meiner magischen Sehkraft konnte ich im Dunkeln immer gut sehen, doch jetzt war es, als wären Dinge mit Infrarot für mich hervorgehoben und umrissen. Mit jedem Atemzug nahm ich eine ganze Welt von Düften und Geschmäcken auf, die von der Brise zu mir getragen wurden und meiner Erfahrung eine unglaubliche Tiefe verliehen. Ich fühlte mich unendlich mächtig, flink und sicher. Es war wunderbar, ja, viel mehr als wunderbar und unbeschreiblich aufregend.
    Als Ciaran zurückblickte, öffnete ich den Mund – die Schnauze – und zeigte ihm meine spitzen Zähne. Er hatte mir ein einmaliges Geschenk gemacht. Wir ließen den Friedhof hinter uns und liefen viele Meilen durch den Wald, folgten Gerüchen und spürten, wie die frische Nachtluft uns durchs Fell fuhr. Ich lief glücklich in Ciarans Pfotenabdrücken und versuchte, so viel wie möglich von dieser Erfahrung in mir aufzusaugen. Ich wusste nicht, ob ich es je wieder tun würde, und ich wollte jede Sekunde genießen.
    Ich empfand nicht den geringsten Anflug von Müdigkeit, als Ciaran stehen blieb und in der Luft schnüffelte. Eifrig stand ich neben ihm, Schulter an Schulter, und hob den Kopf. Ich machte große Augen, blickte ihn an, sah es in seinen Augen. Ich roch es ebenfalls. Beute.

17
    Die Wahl
    Colin, ich schreibe Dir in fiebriger Hysterie. Vor einer Stunde habe ich erfahren, dass Nuala in Barra Head am Brandpfahl brennen soll. Ich verstehe, dass ihr Teufelswerk sie am Ende eingeholt hat, aber das Urteil! Wie Pater Benedict selbst gesagt hat: Gott wird über
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