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Das Buch der Schatten - Verwandte Geister: Band 8 (German Edition)

Das Buch der Schatten - Verwandte Geister: Band 8 (German Edition)

Titel: Das Buch der Schatten - Verwandte Geister: Band 8 (German Edition)
Autoren: Cate Tiernan
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seinen Bewegungen: Er hatte das schon öfter gemacht. Hatte schon öfter gejagt. Getötet.
    Ein Streifen knisternden blauen Lichts flog durch die Bäume und traf mich beinahe am Kopf. Ich duckte mich instinktiv und er explodierte an einer Kiefer ganz in meiner Nähe. Der Geruch nach verkohlter Rinde und klebrig-süßem Saft drang mir in die Nase. Ein weiterer Ball aus blauem Licht schoss auf mich zu, und wieder duckte ich mich, fast ein wenig genervt. Ich kauerte mich auf den Boden, hielt den Kopf gesenkt und konzentrierte mich ganz darauf, meiner Beute zu folgen.
    Ein starker Wildgeruch kreuzte meinen Weg, und ich wäre sicher ausgebrochen, wäre ich nicht hinter einem anderen Tier her gewesen. Die Luft war voller köstlicher Düfte: Reh, Hase, Truthahn – doch ich ignorierte sie, so wie ich die falschen, verwirrenden Spuren ignorierte, die mir einreden wollten, meine Beute hätte einen anderen Weg eingeschlagen. Ich war nicht aufzuhalten, war nicht abzulenken. Ich hatte ein Ziel. Ich wusste, was ich wollte, und ich wollte es mehr, als ich je zuvor etwas gewollt hatte.
    Der andere Wolf entfernte sich von mir, schlug einen anderen Weg ein und lief weiter. Ich begriff, dass er sich von links an unsere Beute ranmachen wollte, während ich sie von rechts jagte. Zusammen würden wir sie in die Enge treiben, und dann würde ich sie reißen; ich allein würde die Trophäe erringen.
    Keine Minute später hatten wir es geschafft: Hier war steile Felswand und meine Beute war davor in die Falle gegangen. Sie drückte sich flach an die Wand, als würde das helfen. Der andere Wolf kam näher, doch ich knurrte ihn an, damit er sich zurückhielt. Dieses Lebewesen gehörte mir. Ich hörte sein Keuchen, verzweifelt pumpte es Luft in seine mickrige Lunge. Der Angstgeruch überdeckte alles andere und ich zog die Nase kraus. Sein Herz hämmerte in seiner schwachen Brust, und der Gedanke an das Blut, das durch dieses Herz gepumpt wurde, ließ mich einen Schritt näher treten und die Zähne blecken.
    Ich wollte die Beute mehr als alles andere. Ich musste sie reißen, sie töten, sie schmecken. Sie war allein dazu geschaffen, mein Opfer zu sein. Mein Nackenfell sträubte sich vor Aufregung in einer borstigen Linie. Ich kauerte mich zu Boden, und ein langes Knurren entstieg meiner Kehle, als ich auf sie zukroch. Mein Blick ließ sie nicht los, meine Muskeln waren bereit, jeden Augenblick loszuspringen, sollte sie versuchen wegzulaufen. Ihre blassgrünen Augen waren weit aufgerissen vor Angst und ich hätte grinsen können.
    Sollte ich springen und sie mit dem Gesicht voran nach unten ziehen? Sollte ich mich von der Seite auf sie stürzen? Wie viel konnte ich mit ihr spielen, bevor sie starb? Nein, besser, ich tötete sie sauber und schnell. So machte es der Wolf. Ganz langsam rückte ich näher und ein köstlicher Schauer durchfuhr mich. Nichts war besser als dieses Gefühl, dieser Sieg über das Schwache. Es war unvergleichlich.
    Ich schaute auf und stellte fest, dass meine Beute mich anstarrte, ja, sie sah mir direkt in die Augen. So etwas machte Beute nicht. Beute kauerte, Beute versteckte sich, Beute machte Spaß. Beute starrte ihren Jäger nicht an. Ich machte noch einen Schritt auf sie zu und sie begegnete unerschütterlich meinem Blick. Es machte mich rasend. Ich zog die Lippen zurück, um ihr meine tödlichen Reißzähne zu zeigen; ich knurrte tief in der Brust, denn ich wusste, dass die Vibrationen des Knurrens sie in Angst und Schrecken versetzen würden. Immer weiter näherte ich mich, mit jeder Sekunde aufgebrachter über ihre Dreistigkeit.
    Dann flüsterte meine Beute: » Morgan? «
    Ich erstarrte, eine Pfote in der Luft. Ich blinzelte. Das klang sehr vertraut. Der andere Wolf hinter mir hielt inne, dann kam er näher, das Laub am Boden raschelte kaum. Ich wandte den Kopf ein wenig und knurrte warnend: Bleib zurück. Das ist meine Beute.
    » Morgan? « Meine Beute keuchte immer noch schwer, schwitzte, drückte sich an den Fels. Sie sah mir tief in die Augen, und ich war überrascht, dass ich es beinahe als schmerzlich empfand. Ich wollte unbedingt, dass sie sich abwandte und mich nicht länger anstarrte. Sobald sie den Blick senkte, würde ich mich auf sie stürzen, ihre Kehle packen, spüren, wie ihr Herzblut mein Fell tränkte. Schau weg, befahl ich ihr stumm. Schau weg. Spiel deine Rolle, so wie ich meine spiele.
    Sie wandte den Blick nicht ab. » Oh, Morgan « , sagte sie. Mit dem nächsten Atemzug richtete sie sich auf,
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