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Das Buch der Schatten 2

Das Buch der Schatten 2

Titel: Das Buch der Schatten 2
Autoren: Tiernan Cate
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Kaffee aufsetzten und die Geschirrspülmaschine ausräumten. Ich ließ mich wieder ins Kissen sinken und lauschte den vertrauten Geräuschen: In meinem Leben hatte sich seit vergangener Nacht äußerlich überhaupt nichts verändert.
    Jemand öffnete die Haustür, um die Zeitung reinzuholen. Heute war Sonntag, was Kirche bedeutete, gefolgt von Brunch im Widow’s Diner. Würde ich Cal später sehen? Würde ich mit ihm reden? Waren wir jetzt zusammen, waren wir ein Paar? Er hatte mich vor den anderen geküsst – bedeutete das etwas? Fühlte sich Cal Blaire, der schöne Cal Blaire, wirklich zu mir hingezogen,
zu mir, Morgan Rowland? Zu mir, mit meiner flachen Brust und meiner energischen Nase? Zu mir, für die Jungen normalerweise keinen zweiten Blick übrighatten?
    Ich starrte zur Decke hinauf, als ob die Antworten dort auf der rissigen Tapete stünden. Als die Tür zu meinem Zimmer plötzlich aufgerissen wurde, fuhr ich im Bett hoch.
    »Kannst du mir das erklären?«, fragte meine Mutter, die braunen Augen weit aufgerissen, die Lippen zusammengekniffen, tief eingegrabene Falten um den Mund. Sie hielt ein paar Bücher hoch, die mit einer Schnur zu einem kleinen Stapel zusammengebunden waren. Es waren die Bücher, die ich bei Bree deponiert hatte, weil meine Eltern nicht wollten, dass ich sie las, meine Bücher über Wicca, die sieben großen Clans, die Geschichte der Hexerei. Auf einem Zettel, der an den Büchern klebte, stand in Großbuchstaben: »Morgan – die hast Du bei mir vergessen. Dachte mir, Du könntest sie brauchen.« Ich setzte mich auf und begriff, dass das Brees Rache war.
    »Ich dachte, wir hätten eine Vereinbarung«, sagte meine Mutter und hob die Stimme. Sie beugte sich aus meiner Schlafzimmertür hinaus und rief: »Sean! «
    Ich schwang die Beine aus dem Bett. Der Fußboden war kalt und ich schob rasch die Füße in meine Pantoffeln.

    »Also?«, fragte meine Mutter betont laut, und mein Vater kam alarmiert in mein Zimmer.
    »Mary Grace?«, fragte er. »Was ist los?«
    Mom hielt die Bücher hoch, als wären sie eine tote Ratte. »Die lagen auf der Veranda vor dem Haus!«, sagte sie. »Sieh dir den Zettel an! «
    Sie wandte sich wieder zu mir um. »Was hat das zu bedeuten?«, wollte sie ungläubig wissen. »Als ich gesagt habe, ich will diese Bücher nicht im Haus haben, hieß das nicht, dass es mir recht wäre, wenn du sie bei jemand anderem deponiertest! Du weißt, was das hieß, Morgan!«
    »Mary Grace«, sagte mein Vater beschwichtigend und nahm ihr die Bücher ab. Schweigend las er die Titel.
    Meine jüngere Schwester, Mary K., kam ins Zimmer getappt, sie trug noch ihren karierten Patchwork-Schlafanzug. »Was ist los?«, fragte sie und schob sich die Haare aus den Augen. Niemand antwortete.
    Meine Gedanken rasten. »Die Bücher sind weder gefährlich noch illegal. Und ich wollte sie lesen. Ich bin kein Kind mehr – ich bin sechzehn. Und ich habe euren Wunsch respektiert, dass ihr sie nicht im Haus haben wollt.«
    »Morgan«, sagte mein Vater in ungewohnt strengem Tonfall. »Es geht nicht nur darum, die Bücher nicht im Haus zu haben, und das weißt du sehr genau. Wir
haben dir erklärt, dass wir als Katholiken Hexerei für falsch halten. Mag sein, dass es nicht illegal ist, aber es ist Blasphemie. «
    »Du bist sechzehn«, warf Mom ein. »Nicht achtzehn. Das bedeutet, dass du immer noch ein Kind bist.« Ihr Gesicht war gerötet, ihr Haar ungekämmt. Ich konnte in dem Rot silberne Strähnen sehen. Auf einmal wurde mir bewusst, dass sie in vier Jahren fünfzig sein würde. Plötzlich kam mir das richtig alt vor.
    »Du lebst unter unserem Dach«, fuhr Mom streng fort. »Wir unterstützen dich. Wenn du achtzehn bist und ausziehst und dir eine Arbeit suchst, kannst du alle Bücher besitzen, die du haben willst, kannst lesen, wonach dir der Sinn steht. Aber solange du in diesem Haus lebst, gilt, was wir sagen.«
    Ich wurde langsam zornig. Warum stellten sie sich so an?
    Doch bevor ich etwas sagte, ging mir ein Vers durch den Kopf: Zügele meinen Zorn, beruhige meine Worte. Sprich in Liebe und verletze nicht.
    Wo kommt das her?, überlegte ich vage. Doch wo immer es herkam, es stimmte. Ich sagte es mir dreimal in Gedanken vor und spürte, wie mein innerer Aufruhr etwas abebbte.
    »Verstehe«, sagte ich. Plötzlich fühlte ich mich stark und selbstbewusst. Ich sah meine Eltern und meine Schwester an. »Aber, Mom, so einfach ist das nicht«,
erklärte ich leise. »Und du weißt auch, warum. Ich weiß,
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