Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch der Schatten 2

Das Buch der Schatten 2

Titel: Das Buch der Schatten 2
Autoren: Tiernan Cate
Vom Netzwerk:
Bluthexe –, Angus schon. Für jeden gibt es nur einen, mit dem er zusammen sein sollte: seine oder seinen mùirn beatha dàn. Für Ma war es Dad. Wer ist es für mich? Angus sagt, er wäre es. Wenn er es ist, habe ich keine Wahl, oder?

    Um wahrzusagen: Ich nehme nur ganz selten Wasser – mit Wasser ist es am leichtesten, aber auch am wenigsten verlässlich. Also, man nimmt eine flache Schale sauberes Wasser und schaut unter dem offenem Himmel oder in der Nähe eines Fensters hinein. Man sieht ganz leicht Dinge, aber sie sind so oft falsch, dass ich finde, man handelt sich damit nur Scherereien ein.
    Am besten kann man wahrsagen, wenn man einen verzauberten leug benutzt, wie zum Beispiel einen Blutstein oder Hämatit oder einen Kristall, doch die sind schwer zu kriegen. Sie sagen die Zukunft am verlässlichsten voraus, aber man muss sich wappnen gegen Dinge, die man nicht sehen oder wissen will. Mit Steinen wahrzusagen ist gut, um Dinge zu sehen, die woanders passieren, wenn man zum Beispiel nach einem geliebten Menschen oder nach einem Feind im Kampf schauen möchte. Normalerweise wahrsage ich mit Feuer. Feuer ist unberechenbar. Aber ich bin aus Feuer gemacht, wir sind eins, und so spricht es zu mir. Wenn ich mit Feuer wahrsage, dann kann es, wenn ich etwas sehe, Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft sein. Natürlich ist die Zukunft nur eine mögliche Zukunft. Aber was ich im Feuer sehe, ist wahr, so wahr, wie es nur sein kann.
    Ich liebe das Feuer.
    – Bradhadair

     
    Ich lief über den frostharten Rasen, der leise unter meinen Pantoffeln knirschte. Hinter mir ging die Haustür auf, doch ich schob mich schon auf den eiskalten Vinylbezug des Fahrersitzes meines weißen Valiant, Baujahr ’71, genannt Das Boot, und warf den Motor an.
    »Morgan! «, rief mein Vater, als ich mit quietschenden Reifen aus der Einfahrt fuhr, und das Auto schlingerte wie ein Boot auf rauer See. Dann bretterte ich los, während ich im Rückspiegel einen Blick auf meine Eltern warf, die vor unserem Haus auf dem Rasen standen. Mom sank zu Boden; Dad versuchte, sie zu halten. Ich brach in Tränen aus und bog zu schnell auf den Riverdale Drive.
    Schluchzend wischte ich mir mit einer Hand die Tränen aus dem Gesicht und fuhr mir dann mit dem Ärmel über die Nase. Ich drehte die Heizung auf, doch es dauerte natürlich ewig, bis der Motor warm wurde.
    Ich war schon in Brees Straße eingebogen, bevor mir wieder einfiel, dass wir ja keine Freundinnen mehr waren. Wenn sie die Bücher nicht auf die Veranda vor unserem Haus gelegt hätte, wüsste ich jetzt nicht, dass ich adoptiert war. Wenn Cal nicht zwischen uns getreten wäre, hätte sie nie die Bücher auf unsere Veranda gelegt.
    Ich weinte noch mehr, schluchzte zitternd und wendete nachlässig in einem Zug, bevor ich ihre Einfahrt erreichte. Dann gab ich Gas und fuhr. Mein einziges Ziel war nur weg, weg.

    Als ich das nächste Mal klar sehen konnte, gelang es mir, unter dem Fahrersitz eine ramponierte Schachtel Taschentücher hervorzuziehen. Schnell lagen überall auf dem Beifahrersitz und dem Boden feuchte, zerknüllte Tücher herum. Letztendlich war ich nach Norden gefahren, raus aus der Stadt. Die Straße folgte einem breiten Tal und früher Nebel klebte schwer am Asphalt. Es kam mir vor, als pflügte Das Boot hindurch wie ein Ziegelstein, der durch eine Wolke geworfen wurde. In der Ferne sah ich am Straßenrand einen großen, dunklen Schatten. Es war die Weideneiche, unter der wir am Abend zuvor geparkt hatten, um Samhain zu feiern. Und wo ich auch das erste Mal stand, als ich mit Cal einen Kreis gemacht hatte, vor ein paar Wochen. Als die Magie in mein Leben gekommen war.
    Ohne lange zu überlegen, lenkte ich mein Auto von der Straße und holperte über das Feld, bis ich unter den tiefhängenden Ästen der Weideneiche zum Stehen kam. Hier war ich vom Nebel und vom Baum verborgen. Ich machte den Motor aus, lehnte mich ans Lenkrad und versuchte, den Strom der Tränen zu bremsen.
    Adoptiert. Sämtliche Beispiele, sämtliche einzelnen Vorfälle, bei denen ich anders gewesen war als meine Familie, schossen vor meinem inneren Auge hoch, um mich zu verhöhnen. Gestern waren das nur Familienwitze gewesen – dass die drei Lerchen waren und ich eine Nachteule, dass sie unnatürlich gut gelaunt waren
und ich mürrisch. Dass Mom und Mary K. kurvig und süß waren und ich dünn und angestrengt. Heute erzeugten diese Witze Wellen des Schmerzes, als ich sie mir einen nach dem anderen in Erinnerung
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher