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Das Buch der Schatten 2

Das Buch der Schatten 2

Titel: Das Buch der Schatten 2
Autoren: Tiernan Cate
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diese Freiheit einige Minuten vorgestellt hast, lösch erst die schwarze Kerze, dann die weiße.
Wiederhol das Ritual falls nötig eine Woche später. Am besten bei abnehmendem Mond.
    Ich habe dieses Ritual am letzten Donnerstag durchgeführt, als Teil meiner Initiation. Seither habe ich nicht mehr an den Nägeln gekaut.
    – Bradhadair
     
    Am Tag nach Samhain wurde ich ganz langsam wach. Ich versuchte, dem Licht hinter den geschlossenen Augenlidern zu widerstehen, doch schon bald war ich dennoch wach, ich konnte nichts dagegen tun.
    In meinem Zimmer war es noch ziemlich dunkel. Es war der erste November und die Wärme des Herbstes hatte sich verabschiedet. Ich reckte mich, doch dann wurde ich plötzlich von so starken Erinnerungen und Empfindungen überschwemmt, dass ich mich kerzengerade im Bett aufsetzte.
    Zitternd sah ich erneut vor mir, wie Cal sich über mich beugte und mich küsste. Sah mich, wie ich Cals Kuss erwiderte, die Arme um seinen Hals schlang, sein weiches Haar unter den Fingern spürte. Die Verbindung, die wir knüpften, unsere Magie, die Elektrizität, die Funken, die Art, wie das Universum um uns
herumwirbelte … Ich bin eine Bluthexe, dachte ich. Ich bin eine Bluthexe, und Cal liebt mich, und ich liebe Cal. So ist es.
    In der Nacht zuvor war ich zum ersten Mal geküsst worden, ich hatte meine erste Liebe gefunden. Ich hatte auch meine beste Freundin verraten und eine Spaltung meines neuen Hexenzirkels herbeigeführt. Und es war mir bewusst geworden, dass mich meine Eltern mein ganzes Leben lang angelogen hatten.
    Und all das war an Samhain geschehen, am 31. Oktober, dem Neujahrsfest der Hexen. Mein neues Jahr, mein neues Leben.
    Ich legte mich wieder hin, kuschelte mich in die tröstliche Behaglichkeit von Flanelllaken und Steppdecke. In der Nacht waren meine Träume Wirklichkeit geworden. Jetzt wurde mir mit einem kalten Gefühl im Magen bewusst, dass ich den Preis dafür zahlen musste. Ich fühlte mich viel älter als sechzehn.
    Bluthexe, dachte ich. Cal sagte, ich wäre eine Bluthexe, und wie könnte ich nach der letzten Nacht, nach dem, was ich dort gemacht hatte, daran zweifeln? Es musste wahr sein. Ich war eine Bluthexe. In dem Blut, das durch meine Adern floss, waren mir Tausende Jahre gelebter Magie weitervererbt worden, Tausende Jahre, da Hexen untereinander geheiratet hatten.
    Ich war eine von ihnen, ich entstammte einem der sieben großen Clans: Rowanwand, Wyndenkell, Leapvaughn,
Vikroth, Brightendale, Burnhide und Woodbane.
    Doch welchem? Rowanwand, Lehrern und Hütern des Wissens? Wyndenkell, kundigen Verfassern magischer Sprüche? Vikroth? Die Vikroth waren magische Krieger, die später mit den Wikingern verwandt waren. Ich lächelte. Ich fühlte mich nicht gerade wie eine Kriegerin.
    Die Leapvaughns waren Unruhestifter und Possenreißer. Der Burnhide-Clan befasste sich hauptsächlich mit Magie mittels Edelsteinen, Kristallen und Metallen, und die Brightendales waren der Clan der Heiler, der die Magie der Pflanzen zum Heilen nutzte. Oder … Da war auch noch Woodbane. Mir schauderte. Ausgeschlossen, dass ich dem finsteren Clan entstammte, der um jeden Preis die Macht wollte, der die anderen Clans bekriegte und verriet, um Kontrolle über Land zu gewinnen, über magische Kräfte, über Wissen.
    Ich überlegte. Falls ich tatsächlich von einem der sieben großen Clans abstammte, fühlte ich mich den Brightendales am nächsten, den Heilern. Ich hatte entdeckt, dass ich Pflanzen liebte, dass sie zu mir sprachen, dass es mir ganz natürlich gegeben war, ihre magischen Kräfte zu nutzen. Ich schlang die Arme um den Oberkörper und lächelte. Eine Brightendale. Eine richtige Bluthexe.
    Was bedeutet, dass meine Eltern auch Bluthexen sein
müssen, dachte ich. Ein verblüffender Gedanke. Ich überlegte, warum wir, solange ich denken konnte, jeden Sonntag in die Kirche gingen. Ich meine, ich mochte meine Kirche. Ich ging gern zum Gottesdienst. Es war schön, traditionell und tröstlich. Aber Wicca kam mir viel natürlicher vor.
    Ich setzte mich wieder im Bett auf. Zwei Bilder überrannten mich immer wieder: wie Cal sich über mich beugte, seine goldbraunen Augen fest auf meine gerichtet. Und daneben Bree, meine beste Freundin – Schock und Schmerz standen ihr ins Gesicht geschrieben, als sie mit ansehen musste, wie Cal und ich uns küssten. Die Vorwürfe, der Schmerz, das Verlangen. Und Zorn.
    Was habe ich bloß getan?, überlegte ich.
    Ich hörte, wie meine Eltern unten in der Küche
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