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Das Buch der Gleichnisse

Das Buch der Gleichnisse

Titel: Das Buch der Gleichnisse
Autoren: Per Olov Enquist
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blätterte vorsichtig, und las. Auf der Innenseite des Umschlags der Name des Vaters, von diesem selbst geschrieben, ein wenig vorwärts geneigt. Kein Zweifel, Elof mit f, der Nachname mit kv, nicht qu wie er selbst. Es war vielleicht so, dass er versuchte, sich ein wenig aufzuspielen ! Ein qu hatte einen vornehmeren Ton als ein kv. Er fühlte sich einen Augenblick lang beschämter als bevor das Päckchen gekommen war, nahm sich aber zusammen und las weiter.
    Nachdem er gelesen hatte, blieb er sitzen.
    Wie war das zugegangen?
    Die folgenden Wochen fühlte er sich gelähmt, aber rastlos, und begann schließlich zu verstehen. Er besaß einen Telefonapparat. Damit rief er den Absender an, es war eine seiner Kusinen.
    Sie hatte keine Antwort.
    Der Notizblock war ihr zusammen mit einem Haufen Papiere zugeschickt worden. Ein Teil davon war die Hinterlassenschaft ihrer Mutter, Elofs Schwester. Ein anderes Bündel Papiere war die Hinterlassenschaft eines Dahingegangenen (der Junge! Siklund!), dem es einmal fast gelungen war, ihn neu zu bekehren, doch war er später dem Netz des Erlösers entronnen; genug davon. Siklund war im übrigen das Kind einer Kusine zweiten Grades, selbst also dritten Grades und nur auf zweifelhafte Weise mit ihm verwandt und war am 26. November 1977 im Irrenhaus, also einer Nervenheilanstalt, gestorben.
    Die Absenderin des Notizblocks hatte angedeutet, dass er den Jungen ja wohl kannte. »Es ging um die Wiederauferstehung.«
    Das war zweifellos wahr, dokumentiert, und unangenehm.
    Deshalb wollte sie sich wohl nicht die Mühe machen, das Schicksal Siklunds näher auszumalen. Das er ja selbst einmal in einem Theaterstück geschildert hatte, zu dem sich einige in der Familie kritisch gestellt hatten. Den armen Kerl mit Schmutz bewerfen! Genug. Das Zugesandte war Siklunds Hinterlassenschaft. Sie hatte auch noch den Nachruf für’n Elof gefunden. Und beigefügt. Der Papierstapel hatte ziemlich lange unbeachtet auf dem Dachboden von Albert Lindströms Sommerwohnung (merkwürdig! Warum da, war ja nicht in der Familie!) gelegen.
    Das war alles, was sie wusste.
    Der Junge war ja ein Kapitel für sich. Er war verrückt geworden, irgendwie, und er selbst hatte ihn in seiner Zeit in Uppsala sehr häufig besucht, bevor er ausriss nach Kopenhagen und in eine neue Ehe, der Junge war ihm keineswegs unbekannt. Es war unangenehm. Die Besuche waren ein Misserfolg gewesen! Inklusive des mehr wissenschaftlichen Experiments mit dem Jungen und der Katze.
    Es war zum Gotterbarmen, hatte er sich in einem Buch nicht auch den Vornamen des armen Kerls geliehen! Nicanor! Was hatte er sich nicht geliehen! Und nie würde er vergessen, dass der Junge gesagt hatte, Ich bin in dich und die Bücher hineingekrochen! , aber dann wollte er wieder herauskriechen. Und als das nicht ging, wurde ihm Onkel Arons Schicksal zuteil, also nicht, dass er sich durchs Eis der Burebucht hindurchhackte, aber ein Tod durch Ersticken war es auf jeden Fall, unumstößlich. Nicht im Wasser, sondern mit einer Plastiktüte.
    Es war die Zeit des theologischen Experiments im Irrenhaus. Er hatte einen Halbverwandten mit Namen Martin Lönnebo um Hilfe bitten wollen, er war ja immerhin Bischof, aber gebracht hatte es nichts.
    Plötzlich Vollbremsung!, wie Knüppel auf ’n Quappenkopp. Er ist wie gelähmt von einem abrupten Gedanken. Warum das beinahe Verbrannte?
    Es war, als ob genau da etwas in seinem Inneren auf Stopp schaltete. Er hatte sich ja viele Jahre in der Öffentlichkeit den Fakten in den Legenden angepasst! Fakten!! Die Brandstiftung der Mutter war ja klargestellt! Eingebrannt! Wie ein Brenneisen in ein unschuldiges Tier! Wie eine schreiend ungespielte Geige! Die Legende in mehreren seiner meistgelobten Werke gedruckt! Und jetzt also eine Kehrtwendung? Total! Man musste sich hier fragen: Wie konnte man, ohne faktischen Grund, sich jetzt auf einmal etwas ganz Umgekehrtes vorstellen! Hinzudichten! Ein Geschehen, ohne Verantwortung zu übernehmen!
    Ein Freibrief sollte ja Erlaubnis geben. Aber wo kam man dann hin?
    Man konnte sich ja, nur als Beispiel, vorstellen, dass in der Nacht, während der Vater auf der Krankenstation in Bureå im Sterben lag, etwas geschehen war. Gerade als er starb. Und man konnte sowohl ausmalen als auch in gewissem Maße Farben auftragen, man konnte die junge Mutter mit gewissen Gefühlen ausstatten, seine Mutter also, die gerade noch die Hand des Vaters gehalten und sie erkalten gefühlt hatte, wenn denn die Hand des Toten
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