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Das Buch der Gleichnisse

Das Buch der Gleichnisse

Titel: Das Buch der Gleichnisse
Autoren: Per Olov Enquist
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Leben dann nicht ebenso rätselhaft wie das gegenwärtige.« Musste ein Zitat sein, abgeschrieben. Es ist wenig wahrscheinlich, dass er sich so ausgedrückt hat. Selbst hatte er keine Erinnerungen. Die Rede im Gemeindehaus musste Erinnerungen enthalten. Konnte eingeleitet werden mit etwas, was er verheimlicht hat, aber etwas Ungefährlichem. Wie dieses komische kleine Verbrechen, das sich im Kriegssommer 1940 ereignet haben muss, im Juli, als er die Katze auf ein zurechtgezimmertes Floß setzte und sie davontreiben ließ, einem sicher furchtbaren Tod entgegen.
    Oder der Tod und die Wiederauferstehung des Spielkameraden Håkan auf dem Bursee!
    Nimm dich zusammen!, flüstert er ständig. Sei nicht lächerlich! Nur eine Sache zur Zeit! Es gab die kleinen Sünden, die zur Hand zu haben praktisch war, wenn er nervös wurde. Die Katze, zum Beispiel. Das konnte bewahrt werden. Dann gab es das Unbewahrte, Widerreden den Tod betreffend, und da war jetzt Eile vonnöten, alle Kameraden standen schwankend und klagend am Ufer des Flusses. Und erinnerten daran, dass er nicht dazu taugte, diesen Liebesroman niederzuschreiben.
    Kraft sammeln! Er erinnerte sich an die Begegnung in einer Bibliothek in Södertälje. Eine Frau war bei der Diskussion hinterher aufgestanden, es ging um eine erotische Passage in dem historischen Roman, aus dem er gelesen hatte, und der seine eigenen Erfahrungen so gut verbarg, dass er nicht entblößt wurde; historische Romane waren ja die besten, die er sich vornehmen konnte, wenn er nervös wurde und etwas verdecken wollte. Die Frau hatte, bekannte sie ganz schlicht, gelesen und plötzlich eine solche Wärme im Körper verspürt, und im Unterleib, wie sie sie beim Lesen in ihrem ganzen Leben noch nicht gespürt hatte. Und dafür wollte sie danken! Vielleicht hatte sie die Worte Wärme im Schoß benutzt. Es war wie ein Raunen durchs Publikum gegangen, weil die Frau sich nach ihrer Äußerung mühsam und beinahe knirschend gesetzt hatte. Und was sie gesagt hatte, war sehr schön. Aber vor allem – jedermann sah, dass sie unerhört alt war! Vielleicht neunzig Jahre! Oder mehr! Und bekannte, dass sie immer noch Lust empfunden hatte!
    Aber dass sie es gewagt hatte! – er selbst hatte plötzlich Tränen in den Augen, nur weil sie so unerhört alt war – gewagt hatte, vor allen anderen aufzustehen und von der Lust zu sprechen. Und auf irgendeine Weise war sie ihm bekannt vorgekommen, obwohl auch wieder nicht.
    Aber das war noch nicht das Ende. Nachher war sie nach vorn gekommen, mühsam, weil sie unsicher auf den Beinen war, und da hatte er gesagt: Sind wir uns nicht schon einmal begegnet? War das nicht auf dem Larssonhof? Nein!, hatte sie brüsk gesagt, gleichsam zu Tode erschrocken auf dem Absatz kehrtgemacht und war hinausgeschlurft.
    Aber dies in die Rede im Gemeindehaus einfügen? Unmöglich!
    War es so, zusammenzulegen? Nur kleine Lächerlichkeiten und dann, plötzlich, wie ein Keulenschlag! Die Tür geöffnet! Das Tor!
    Und jemand hatte gerufen: Dies war das Leben!
    Er hatte bis spät am Abend des 27. Februar 2011 gearbeitet (sic! Seine eigene Bezeichnung! Heuchelei!) und unruhig geschlafen, war dann gegen vier Uhr aufgewacht und hatte beschlossen, das Projekt zwar zu Ende zu bringen, es aber nie nach außen zu tragen.
    Welche Erleichterung! Nur für die Enkelkinder!
    Vollkommen still bei den Bäumen, den Freunden, der sterbenden Schar. Sie bewachten ihn. Es waren sieben Bäume, die sich vor dem Fenster scharten wie eine Kuhherde, sie glichen sich selbst, wie am Tag zuvor, im Jahr zuvor. Er hatte versucht, sie hinzuzeichnen, um auf diese Weise sein abbildendes Leben wiederaufzunehmen, doch die Bäume blieben sich gleich, von Tag zu Tag. Schließlich begann er zu ahnen, dass es so bleiben würde, bis die sieben Bäume tot waren. Gegen vier Uhr , notierte er im Arbeitsbuch, leben die sieben Tannen noch! Der Hund hatte da den Kopf gehoben und ihn traurig oder ungeduldig angesehen. Dann fiel sein Kopf herab, offenbar in tiefen Schlaf.
    Was hatten Hunde für Träume? Und würden Hunde bei Jesu zweiter Wiederkehr wirklich mitgenommen in den Himmel?
    Er hatte sich immer gefragt, ob es auch für Hunde ein ewiges Leben gab, und ob er diesen Hund mitnehmen konnte über die Grenze. Den Tod stellte er sich als ein Dasein mit dem Hund an seiner Seite vor, auch nachdem sie das jenseitige Ufer des Flusses erreicht hatten.
    Das würde dann das endgültige Projekt sein.
    Er dachte viel an den Tod, sagte sich aber zum
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