Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch der Gleichnisse

Das Buch der Gleichnisse

Titel: Das Buch der Gleichnisse
Autoren: Per Olov Enquist
Vom Netzwerk:
– nachdem er angefangen hatte zu erscheinen , und wo er in dem Erschienenen in gewissem Maße Szenen niedergeschrieben hatte, wie die Mutter dort auf dem Holm saß – Granholmen in Majaholmen umgetauft. Es war wohl zum Gedenken daran, dass sie dort gesessen hatte, in den Sommern, allein mit dem kleinen Jungen. Und eine andere Sommerwohnung gab es damals ja nicht auf dem Holm, also war der Name wohl richtig.
    Das Ruderboot des Großvaters war im September 2007 noch da, erstaunlicherweise. Es hatte allerdings eine Kunststoffbeschichtung bekommen und war jetzt weiß. Durch die Beschichtung konnte man die Bolzen sehen, die vielleicht Klinker hießen; nein, dies war sicher nicht die richtige Bezeichnung. Großvater P.W. war ja Dorfschmied, konnte aber auch Ruderboote bauen, er wusste vielleicht besser, ob es Klinker hieß. Das Heck war jetzt gekappt und gerade, um einem Außenborder Platz zu machen. Es war zwar etwas seltsam, aber im Grunde war dies zweifellos P.W.s Boot. Außen Kunststoff, der Kern 1935 gebaut.
    Es war wie ein biblisches Gleichnis, wenn man es so sehen wollte, was viele taten.
    Gunnar Hedman setzte ihn über. Sie landeten auf der Nordseite, und er sah sofort, dass der Holm in schlechtem Zustand war. Die riesigen Tannen, unter denen er als Kind gespielt hatte – also lange bevor er selbst gealtert und jetzt von den sterbenden Freunden umgeben war, die misstrauisch tuschelnd argwöhnten, er sei ins Dorf hinaufgefahren, um die Wahrheit über die erste Frau auszugraben und diese dann für immer zu begraben! Die sterbenden Freunde, die sich also jetzt um ihn scharten wie ein Tannenhain! – und auf deren Ästen er weit nach außen hatte gehen und nach feindlichen Kriegsschiffen Ausschau halten können.
    Diese Tannen waren jetzt, im Herbst 2007, alle abgeholzt.
    Drei Geräteschuppen waren hinzugekommen sowie zwei neue Sommerhäuschen, die beinahe zu verfallen schienen. Ein Hühnerhof mit rostigem Zaun deutete auf menschliches Leben hin. Fünf Hühner liefen mit kurzen Schritten darin umher. Ihr eigenes Sommerhaus schien sich gleich zu sein, wie vor siebzig Jahren, verfiel aber inzwischen zusehends und wurde als Aufbewahrungsort für Abfall oder Gerümpel benutzt; er versuchte durchs Fenster zu schauen, aber es tat nur weh .
    Der Holm war vergewaltigt. Der Stein am Ufer, auf dem die Mutter gesessen hatte, sah jedoch aus wie früher.
    Er nahm sich zusammen und ging um den Holm herum, wie in seiner Kindheit, und wusste, dass dies nicht revidiert oder korrigiert werden konnte; es war, wie es war, und hatte sich verändert, alles war beschmutzt.
    Warum war er zurückgekommen. Dies hieß nicht, in den Fluss des Pfeils hinabzusteigen, wie er es als Kind in Kiplings Kim gelesen hatte. Einsicht musste er sich selbst und an anderer Stelle verschaffen, wenn es nicht schon zu spät war. Der große Stein fünf Meter vom Ufer des Holms entfernt, zur Nordseite hin, war jedoch völlig unberührt.
    Sie war so schön gewesen, wie sie da auf dem Stein saß.
    *
    Er flieht, auf irritierende Weise schnüffelnd: wie ein Hund, der auf seine eigene Witterung stößt und erschrickt.
    Ist es nötig, dies hinzuschreiben. Er hat keine Angst vor dem Tod. Aber der Weg dahin macht ihn immer erschrockener.
    Zurückgelassen war ein Wort, das er ausprobierte, es sollte Eingänge ins Projekt schaffen, weil es jetzt eilte, eilte war ein anderes Wort, er wusste nicht, wie viele Jahre ihm noch blieben. Er konnte die Antwort in den Augen der sterbenden Freunde sehen, es war, wie wenn, vor dem Tod, die Augen tränten, und dass die, die bald sterben würden, vielleicht lange, lange nach ihm , ihn jetzt mit flehenden Augen betrachteten, als bäten sie ihn um etwas. Erinnerten an den Jungen Siklund, der ihn 1974 aufgesucht hatte, bevor dieser Siklund verrückt wurde und starb. Er erinnerte sich an Siklunds Augen, die entlarvend waren und wahnsinnig; aber danach war Siklund erlöst worden, und die Katze war auferstanden, und dieser Siklund hatte, indem er seinen Tod zu einem biblischen Gleichnis zusammenknetete, ihn während einiger Tage beinahe neu bekehrt zu dem wegstudierten Glauben.
    Die Katze!
    Er fing sich schnell. Gab es nicht ein kleines Vergehen, mit dem er die Zeit vertreiben konnte? Aus der Kindheit! Er könnte kleine nachdenkliche Briefe an sich selbst schreiben, oder vielleicht eher nachsinnende. Die vom Vater hinterlassenen Blätter schienen vom Tod zu sprechen, von der Liebe und vielleicht vom ewigen Leben. »Ist denn dieses ewige
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher