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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand
Autoren: Andrea Schacht
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denn das Umschlagtuch hatte sich um ihre Arme gewickelt.
    »Richtet dem scheinheiligen Pater aus, dass ich mich mit seiner Buhle in den Weingärten Pantaleons vergnügen werde«, lachte der Schwarzgekleidete und trat nach dem Knappen, der versuchte, ihm in die Zügel zu fallen. Fredegar taumelte, und das Pferd setzte sich in Bewegung.
    Zum zweiten Mal war Ramon Rodriguez de Castra Anlass für ausgesucht derbe Flüche aus dem Mund des ritterlichen Jünglings. Dann aber nahm er die Beine in die Hand und rannte zum Alter Markt.
    Frau Nelda sah sein verstörtes Gesicht, als sie ihm öffnete, und führte ihn sogleich durch die Halle in den Hof, wo der Herr vom Spiegel im Stall mit seinem Reitknecht ein neues Pferd begutachtete, das er erworben hatte. Der Herr war in Reitkleidung, also war die Meldung, er oder sein Vater liege im Sterben, eine Finte gewesen, schloss Fredegar.
    »Knappe, was ist passiert?«
    »Herr, es ist schrecklich. Ramon hat Frau Almut entführt!«, stieß er hervor.
    Die Verwandlung, die der Herr vom Spiegel in diesem Augenblick durchmachte, ließ ihn erschaudern. Der gesetzte Gelehrte, der strenge Pater, der würdige Patrizier verschwanden, und der Herr der Rache erschien.
    »Wo? Wann?«
    In kurzen Worten berichtete Fredegar das Vorgefallene, während Hardwin bereits eine Lederdecke auf dem Rücken des Pferdes festschnallte.
    »Deinen Dolch, Junge!«
    Ohne Zögern löste Fredegar den Gürtel mit dem langen Messer und reichte ihn dem Herrn.
    »Wartet, Herr, ich komme mit!«, rief Hardwin.
    Aber der Herr vom Spiegel war schon aufgesessen.
    »Er will mich. Und ich ihn«, grollte er, und Fredegar beeilte sich, ihm das Tor zu öffnen.
     
    Der Regen war heftiger geworden, Sturmböen fegten um die Häuserecken. Kaum ein Mensch war auf den Straßen, und unter den Hufen spritzte lehmiges Wasser auf. Pantaleon lag weit im Südwesten, zwischen Weingärten und Feldern, dort, wo der Duffesbach durch die Bachpforte in das Stadtgebiet trat. Schon hinter dem Kloster der Weißen Frauen endete die Bebauung, lediglich Scheunen, Kelterhäuser und Unterstände für die Feldarbeiter hockten an den Rainen. Das Gewässer, hier als der Blaugerberbach bekannt, war angeschwollen und hatte da und dort schon die Bretter weggeschwemmt, die den Gerbern als Brücken dienten. Ivo vom Spiegel fand noch eine intakte Überquerung und setzte seinen wilden Ritt Richtung Sankt Pantaleon fort. Er hatte eine ungefähre Vorstellung, wohin Ramon die Begine gebracht hatte. Die Winzerhäuschen und Kelter in den Weingärten wurden vor allem zur Zeit der Lese benutzt, derzeit dienten sie als Lager für Werkzeuge, Kiepen und Körbe. Und, wie er aus seiner Jugend noch recht genau wusste, übermütigen Jünglingen und Maiden als heimliche Unterkunft.
    Der dichte Regen machte es ihm schwer, nach dem Gesuchten Ausschau zu halten, aber da Ramon ihn locken wollte, war er sicher, dass er eine Spur finden würde. Er umrundete das Kloster einmal in einem engen Bogen, dann in einem weiteren.
    Es war das Pferd, das herrenlos an einen Baum gebunden stand, das ihm schließlich verriet, wo sein alter Widersacher ihn erwartete. Ein Kelterhaus östlich von Sankt Pantaleon hatte er als Unterschlupf gewählt. Er stieg ab, warf die Zügel über einen Busch und zog den Dolch.
    In dem Fachwerkhaus war ein Poltern zu hören, und als er die Tür aufstieß, sah er die Begine einen Hammer schwingen. Zwischen ihr und ihrem Entführer befand sich die Weinpresse. Offensichtlich war es ihr gelungen, sich zu befreien und sogar tatkräftig zu wehren.
    »De Castra!«, donnerte der Herr vom Spiegel. Der Schwarze drehte sich um, und Almut erstarrte. Häme und Wut troffen aus den Worten, mit denen Ramon ihn empfing.
    »Ivo. Wie erwartet. Dein Bettschätzchen scheint dir ja recht wichtig zu sein. Dabei ist sie so ein zimperliches Ding.«
    »Komm mit nach draußen. Was ich mit dir vorhabe, ist nicht für die Augen einer edlen Dame gedacht«, zischte Ivo vom Spiegel.
    »Ach, ich hätte sie gerne dabei, wenn ich dich entmanne. Dann sehen wir weiter.« Auch Ramon hatte nun ebenfalls einen Dolch in der Hand und tänzelte näher. »Ich glaube, im Kloster verwendet man Messer nur, um die Fastenspeise zu schneiden.«
    Ivo antwortete nicht mehr, sondern machte einen Ausfallschritt nach vorne. Ramon entging nur knapp dem Stich ins Herz. Der folgende Kampf wurde mit Erbitterung und Hass geführt.
    Schweigend.
    Keuchend.
    Blutig.
    Von Ramons linkem Bein rann ein rotes Rinnsal, Ivos rechter
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