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Das Böse unter der Sonne

Das Böse unter der Sonne

Titel: Das Böse unter der Sonne
Autoren: Agatha Christie
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eine große Hilfe», sagte Hercule Poirot. «Ich wollte wissen, was ein vernünftiger Mann von Mrs Marshall dachte. Ich fragte Mr Gardener, was er von Arlena hielt.»
    «Tatsächlich?», rief Mrs Gardener. «Und was hast du geantwortet, Odell?»
    Mr Gardener hüstelte. «Nun, meine Liebe», erwiderte er, «ich habe nie viel von ihr gehalten, wie du weißt.»
    «So was erzählen die Männer ihren Frauen immer», bemerkte Mrs Gardener. «Und wenn du mich fragst, so möchte ich sogar behaupten, dass selbst unser guter Monsieur Poirot hier sie eine Spur zu nachsichtig beurteilt, wenn er sie als ‹ein natürliches Opfer› bezeichnet und so weiter. Es stimmt, sie war keine besonders kultivierte Person. Und da Captain Marshall nicht hier ist, kann ich ja sagen, dass sie mir immer ein wenig dumm erschienen ist. Das habe ich auch zu dir gesagt, nicht wahr, Odell?»
    «Ja, meine Liebe.»
     
    Linda saß mit Hercule Poirot in der Möwenbucht. «Eigentlich bin ich froh, dass ich noch lebe», sagte sie. «Aber wissen Sie, Monsieur Poirot, es ist doch genauso, als hätte ich sie tatsächlich getötet, finden Sie nicht? Ich wollte ja schließlich, dass sie starb.»
    «Es ist absolut nicht dasselbe», erwiderte Hercule Poirot nachdrücklich. «Der Wunsch, zu töten, und der eigentliche Akt des Tötens sind zwei völlig verschiedene Dinge. Wenn statt der kleinen Wachspuppe Ihre Stiefmutter selbst hilflos gefesselt dagelegen hätte und Sie statt der Nähnadel einen Dolch in der Hand gehalten haben würden, hätten Sie ihn ihr nicht ins Herz gestoßen. Eine innere Stimme hätte Sie gewarnt. Mir geht es zum Beispiel genauso. Ich ärgere mich über irgendeinen Dummkopf und sage: ‹Ich würde ihm gern einen Tritt geben.› Stattdessen gebe ich dem Tisch einen Tritt. ‹Der Tisch›, sage ich, ‹ist dieser Dummkopf, und deshalb trete ich ihn.› Und dann, wenn ich mir an den Zehen nicht zu wehgetan habe, bin ich erleichtert, und dem Tisch ist nichts passiert. Aber wenn der Mensch, über den ich mich geärgert habe, selbst da gewesen wäre, hätte ich ihn nicht getreten. Ein Wachspüppchen zu machen und mit einer Nadel zu pieken ist dumm, ist kindisch, ja, aber es erfüllt einen Zweck. Ihr Hass übertrug sich auf die Wachsfigur. Und mit der Nadel und den Flammen töteten Sie nicht etwa Ihre Stiefmutter, sondern den Hass, den Sie auf sie hatten. Danach fühlten Sie sich gereinigt, nicht wahr? Noch bevor Sie von ihrem Tod erfuhren, waren Sie heiterer, glücklicher.»
    Linda nickte. «Wie können Sie das wissen? Es stimmt genau.»
    «Dann machen Sie diese Dummheit nicht noch einmal! Nehmen Sie sich einfach fest vor, Ihre nächste Stiefmutter nicht mehr zu hassen.»
    «Glauben Sie, dass mein Vater bald wieder heiratet?», fragte Linda aufgeregt. «Ach, ich verstehe, Sie meinen Rosamund. Ich habe nichts gegen sie.» Sie zögerte kurz. «Sie ist vernünftig», fügte sie dann hinzu.
    Poirot selbst hätte Rosamund Darnley nicht gerade so bezeichnet, aber er verstand, dass es für Linda das höchste Lob war, das sie zu vergeben hatte.
     
    «Wieso bist du auf die verrückte Idee gekommen, dass ich Arlena getötet haben könnte, Rosamund?», fragte Kenneth Marshall.
    Rosamund sah ziemlich verlegen aus. «Ich glaube, es war verdammt dumm von mir.»
    «Ja.»
    «Aber weißt du, Ken, du bist so verschlossen wie eine Auster. Ich wusste nie, was du eigentlich für Arlena fühltest. Ich wusste nicht, ob du sie einfach so nahmst, wie sie war, und nur sehr taktvoll warst, oder ob du ihr – nun, ob du ihr blind glaubtest. Und ich dachte, wenn du ihr gegenüber blind warst und plötzlich entdecktest, dass sie dich betrog, würdest du außer dir sein vor Wut. Ich habe einiges über dich gehört. Du bist immer sehr still und friedlich, aber manchmal kannst du ganz schrecklich sein.»
    «Und da dachtest du, ich hätte sie an der Kehle gepackt und so lange zugedrückt, bis sie ihr Leben aushauchte.»
    «Hm, ja – so ungefähr. Und dein Alibi schien auch ziemlich schwach zu sein. Deshalb beschloss ich, etwas zu unternehmen, und erfand diese dumme Geschichte, dass ich in deinem Zimmer gewesen sei und dich beim Tippen beobachtet hätte. Und als ich erfuhr, dass du mich im Spiegel gesehen hättest – nun, da war ich von deiner Schuld überzeugt. Und dass Linda verrückt sei.»
    Kenneth Marshall seufzte. «Begreifst du denn nicht, dass ich deine Geschichte nur bestätigte, um dir Rückendeckung zu geben? Ich – ich dachte, du brauchtest einen
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