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Das Blut des Teufels

Titel: Das Blut des Teufels
Autoren: James Rollins
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Uhr
In den Anden, Peru
     
    »Horch mal genau hin … dann hörst du fast die Toten sprechen.«
    Bei diesen Worten hob Sam Conklin die Nase aus dem Dreck und musterte den jungen Freischaffenden des National Geographic .
    Norman Fields saß mit einem aufgeklappten Laptop auf den Knien neben ihm und starrte über die vom Regenwald eingehüllten Ruinen hinaus. Ein Schmutzstreifen lief ihm von der Wange bis zum Hals. Trotz der australischen Buschkleidung mit dem dazu passenden Lederhut wirkte Norman ganz und gar nicht wie der abenteuerlustige Fotojournalist. Die dicken Brillengläser ließen seine Augen größer erscheinen und verliehen ihm einen Ausdruck ständiger Überraschung. Und trotz seiner Länge von über einsneunzig war er dünn wie eine Bohnenstange, alles nur Haut und Knochen.
    Sam wälzte sich auf der Matte aus geflochtenem Schilf herum und stützte sich auf einen Ellbogen. »Entschuldige bitte, Norm, was hast du gesagt?«, fragte er.
    »Der Nachmittag ist so ruhig«, flüsterte sein Gefährte mit dem leichten Bostoner Akzent. Norman schloss die Augen und atmete tief ein. »Man hört praktisch die uralten Stimmen von den Bergwänden widerhallen.«
    Sam legte den winzigen Pinsel behutsam neben das kleine steinerne Relikt, das er gerade gesäubert hatte, und richtete sich auf. Er schob sich den schmutzigen Cowboyhut weiter zurück und wischte sich die Hände an seinen Jeans ab. Wie so häufig, wenn er stundenlang an einem Stück Stein gearbeitet hatte, wirkte die Schönheit der uralten Inkastadt auf ihn wie ein Schluck kaltes Bier an einem Nachmittag in Texas. Man konnte sich so leicht in die hingebungsvolle Feinarbeit mit dem Pinsel vertiefen und den Blick für die gewaltige Größe und Weite des Ganzen verlieren. Sam setzte sich, um die düstere Majestät der Umgebung besser würdigen zu können.
    Plötzlich vermisste er seinen Wallach, einen AppaloosaSchecken, der noch immer auf der staubigen Ranch seines Onkels draußen in Muleshoe, Texas, sein Zuhause hatte. Wie gern würde er zwischen den Ruinen umherreiten und ihren gewundenen Pfaden bis ins Geheimnis des dichten Regenwalds jenseits der Stadt folgen. Auf seinem Gesicht lag der Schatten eines Lächelns, während er die Aussicht in sich einsog.
    »Dieser Ort hat etwas Mystisches an sich«, fuhr Norman fort und stützte sich nach hinten auf die Hände. »Die hoch aufragenden Berggipfel. Die Nebelschwaden. Der grüne Regenwald. Die Luft riecht nach Leben, als gebe es im Wind eine Substanz, die dem Geist frische Kräfte verleiht.«
    Sam tätschelte dem Journalisten zustimmend den Arm. Norman hatte Recht. Die Aussicht war wirklich wunderbar.
Auf einem hohen Sattel zwischen zwei Gipfeln der Anden errichtet, breitete sich die neu entdeckte Stadt terrassenförmig über mehr als einen halben Quadratkilometer aus. Einhundert Stufen verbanden die verschiedenen steinernen Ebenen miteinander. Von seinem Aussichtspunkt zwischen den Überresten des Sonnenplatzes konnte Sam die gesamte Ruinenanlage unter sich überblicken. Alles stammte aus der Zeit vor Kolumbus: die zerfallenden Steinhäuser in der Unterstadt bis hin zu der Treppe der Wolken, die zum Sonnenplatz führte, auf dem sie lagerten. Hier, genau wie in der Schwesterstadt Macchu Picchu, zeigte sich die ganze architektonische Meisterschaft der Inka, die Form und Funktion zu einer Festungsstadt zwischen den Wolken verschmolzen hatten.
Dennoch: Anders als das gut erforschte Macchu Picchu waren diese Ruinen noch immer unberührt. Sams Onkel Hank hatte sie erst vor wenigen Monaten entdeckt. Vieles lag nach wie vor unter Ranken und Bäumen verborgen. Bei der Erinnerung an die Entdeckung flammte ein Funken Stolz in Sam auf.
Onkel Hank hatte ihre Lage anhand alter Geschichten bestimmt, die unter den Quecha der Region kursierten. Mit Hilfe handgekritzelter Karten und Bruchstücken aus Erzählungen hatte er ein Team von Macchu Picchu aus entlang des Urubamba geführt und in nur zehn Tagen die Ruinen unterhalb des Mount Arapa gefunden. Berichte über die Entdeckung waren in allen Fachzeitschriften und populären Magazinen erschienen. Betitelt als Entdecker der »Wolkenruinen« strahlte einem das Bild seines Onkels von vielen Titelseiten entgegen. Und er hatte es verdient – mit seiner Demonstration von hartnäckiger Extrapolation und archäologischem Geschick.
Natürlich war diese Einschätzung auch von Sams Gefühlen seinem Onkel gegenüber gefärbt. Hank hatte ihn erzogen, seit Sams Eltern bei einem Verkehrsunfall ums
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