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Das Blut des Teufels

Titel: Das Blut des Teufels
Autoren: James Rollins
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Leben gekommen waren. Damals war Sam neun Jahre alt gewesen. Im gleichen Jahr, nur etwa vier Monate zuvor, war Henrys Frau an Krebs gestorben. Ihre Trauer hatte sie zusammengebracht und eine tiefe Bindung zwischen ihnen entstehen lassen. Die beiden waren nahezu unzertrennlich geworden. Deshalb überraschte es niemanden, dass Sam eine Karriere in Archäologie bei Texas A&M anstrebte.
»Ich schwöre, wenn du deine Ohren nur weit genug aufsperrst«, sagte Norman, »hörst du sogar den Schrei der Krieger aus den Höhen der Berggipfel, das Geflüster der Händler und Käufer in der Unterstadt und die Lieder der Arbeiter auf den Terrassenfeldern hinter den Mauern.«
Sam gab sich alle Mühe, hörte jedoch nur hin und wieder eine menschliche Stimme oder das Scharren von Schaufeln und Picken aus einem Loch in der Nähe. Das waren nicht die toten Inka, sondern seine Kommilitonen und die Arbeiter, die tief im Herzen der Ruine schufteten. Das klaffende Loch führte zu einem Schacht, der zehn Meter senkrecht nach unten fiel und in einem Bienenstock von ausgegrabenen Räumen und Gängen endete. Die unterirdische Struktur erstreckte sich über mehrere Ebenen hinweg. Sam richtete sich höher auf. »Du solltest Dichter sein, Norman, nicht Journalist.«
Norman seufzte. »Versuche einfach, mit dem Herzen zu horchen, Sam.«
Sam antwortete mit einer noch schleppenderen Version seines ohnehin breiten westtexanischen Akzents. Er wusste, dass er Norman damit auf die Palme bringen konnte. »Gerade im Augenblick höre ich lediglich meinen Magen. Und der beklagt sich bloß darüber, dass es Essenszeit ist.«
Norman sah ihn finster an. »Ihr Texaner habt keine Poesie in euren Seelen. Bloß Eisen und Staub.«
»Und Bier. Vergiss das Bier nicht!«
Plötzlich erregte ein Klingelton vom Laptop ihre Aufmerksamkeit, der ihnen sagte, dass es schon sechs Uhr nachmittags war.
Aus Sams Kehle drang ein Röcheln. »Wir tarnen den Platz besser, bevor die Sonne untergeht. In der Nacht wimmelt es hier von Räubern.«
Norman nickte, drehte sich um und sammelte die hinter ihm liegenden Kameras ein. »Da wir gerade von Grabräubern sprechen – ich habe vergangene Nacht Gewehrfeuer gehört«, meinte er.
Stirnrunzelnd verstaute Sam seine Pinsel und die zahnärztlichen Instrumente. »Guillermo musste eine Bande von huaqueros verscheuchen. Sie haben versucht, einen Tunnel in unsere Ruinen zu graben. Wenn Gil sie nicht entdeckt hätte, hätten sie womöglich ein Loch in die Ausgrabungsstätte gerissen und Monate der Arbeit zunichte gemacht.«
»Gut, dass dein Onkel daran gedacht hat, Wachen anzuheuern.«
Sam nickte, hörte jedoch aus Normans Worten einen gewissen Widerwillen gegen Guillermo Sala heraus, den ExPolizisten aus Cusco, der auf der Expedition für den Schutz verantwortlich war. Sam empfand ähnlich wie der Journalist. Gil hatte schwarze Haare und Augen und dazu Narben, die er, wie Sam argwöhnte, nicht unbedingt seiner Pflichterfüllung zu verdanken hatte. Ihm waren auch die Seitenblicke aufgefallen, die der Wächter mit seinen Kumpels austauschte, wenn Maggie vorüberging. Bei den hingeworfenen spanischen Gesprächsfetzen, die sich mit gutturalem Gelächter abwechselten, kochte Sam das Blut in den Adern.
»Ist bei dem Schusswechsel jemand verletzt worden?«, fragte Norman.
»Nein, es waren bloß Warnschüsse, um die Diebe abzuschrecken.«
Norman verstaute weiter seine Ausrüstung. »Glaubst du wirklich, wir finden ein paar Grabstätten, die vor Reichtümern nur so strotzen?«
Sam lächelte. »Und entdecken den Tut-Ench-Amun der neuen Welt? Nein, das glaube ich nicht. Das Gold lockt die Diebe an, aber nicht meinen Onkel. Ihn lockt Wissen hierher – und die Wahrheit.«
»Aber wonach sucht er so beharrlich? Soweit ich weiß, ist er hinter einem Beweis für ein anderes Volk her, das vor den Inka hier gelebt hat, aber weshalb diese sture Forderung nach Geheimhaltung? Ich muss den Geographic irgendwann vor dem nächsten Redaktionsschluss auf den neuesten Stand bringen.«
Sam zog die Brauen zusammen. Er hatte keine Antwort für Norman. Ihm selbst schwirrten die gleichen Fragen durch den Kopf. Onkel Hank hütete jedes Informationsbruchstück wie seinen Augapfel. Aber das hatte dem Professor schon immer ähnlich gesehen. Auf allen anderen Gebieten war er offen, aber wenn Angelegenheiten beruflicher Natur ins Spiel kamen, konnte er sich völlig zugeknöpft geben.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Sam schließlich. »Aber ich vertraue dem Professor. Wenn er die
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