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Das Biest aus den Alpen

Das Biest aus den Alpen

Titel: Das Biest aus den Alpen
Autoren: Stefan Wolf
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Vikar Johannes war ein sehr gebildeter Mann, der in jungen Jahren viel
gereist ist. Seltene Tiere und Pflanzen waren sein großes Hobby.«
    Karl und der Kurator plauderten
noch eine Weile über dies und das. Dann musste sich der Museumsleiter wieder um
andere Dinge kümmern.
     
    Am späten Nachmittag hatte es
angefangen zu regnen. Dunkle Wolken schoben sich über den Himmel. Vorbei das
Traumwetter mit Badehosengarantie. In den Bergen komme ein plötzlicher
Wetterumschwung häufiger vor, sagte die Wirtin.
    Alle machten das Beste daraus.
Tim ging trainieren — die Teppichstange auf dem überdachten Wäscheplatz reichte
ihm für einige Dehnübungen vollkommen aus. Klößchen machte sich ebenfalls lang
— im Bett. Oskar durfte bei ihm bleiben. Karl hatte sich mit Gaby für einen
Besuch in der Pfarr- und Gemeindebücherei verabredet. Sie wollten mehr über den
legendären Tatzelwurm und die Höhlen der Gegend in Erfahrung bringen. Da die
Bücherei allerdings an diesem Nachmittag geschlossen hatte, erinnerte sich Karl
an ein Angebot des Kurators Wildgruber. Der alte Herr hatte ihm die Bibliothek
des Heimatmuseums gezeigt und gesagt, dass Karl sich gerne umsehen dürfe.
    Die Museumsbibliothek war im
obersten Stockwerk untergebracht, direkt unterm Dach. Ein paar ausgetretene
Stufen, flankiert von einem wackligen Holzgeländer, wiesen den Weg. Gaby und
Karl hatten sich die Erlaubnis geholt, Bücher zu entleihen. Natürlich konnten
sie nicht die ganz alten, wertvollen Bände mitnehmen, doch Herr Wildgruber
hatte gesagt, es seien genug Bücher neueren Datums vorhanden.
    Karl öffnete die schwere Tür,
die ins Allerheiligste führte. Er musste sich ducken, um hindurchzugehen.
Zwischen wuchtigen Holzbalken hatte man Regale eingezogen, deren Bretter sich
unter der schweren Bücherlast bogen. Überall hingen Spinnweben. Altersschwache
Glühbirnen spendeten karges Licht.
    Hier oben tickten die Uhren
anders. Viele Werke stammten noch aus der Zeit von Vikar Johannes, waren also
einige Hundert Jahre alt. Manche waren sogar von Hand geschrieben. Die
Bibliothek sah mehr nach einem unordentlichen Lagerraum aus als nach einem Ort
für wertvolle Bücher. Für einen offiziellen Besuch stand dieser Teil des
Museums normalerweise aber auch nicht zur Verfügung.
    Gaby ging an den Regalen
entlang und las die Buchrücken. »Schau mal, hier könnte was sein!« Sie deutete
in Richtung Fenster.
    »Mal sehen... Höhlen und
Grotten«, las sie laut vor. »Oder hier: Höhlenforscher auf den Spuren
der Vergangenheit. Und das hier klingt auch ganz interessant: Unterirdische
Höhlen, Seen und Flüsse — das ist speziell über diese Gegend. Das nehmen
wir auf jeden Fall mit!« Sie deutete auf ein Buch, auf dessen Einband mächtige
Tropfsteine abgebildet waren.
    Karl griff nach einem anderen
Wälzer. In alter Schrift stand darauf Thierlehen der Alpen. Er blies
eine dicke Staubschicht vom Buch und blätterte einen   Moment darin.
»Hier, hör mal: Im Kapitel Fabelhafte Schlangen steht, dass im
Volksglauben dem Tatzelwurm eine Verwandtschaft mit Drachen oder Lindwürmern
nachgesagt wird. Wie diese soll er in unterirdischen Höhlen oder Stollen hausen
und giftigen Dampf, Schleim oder manchmal sogar Feuer spucken. Seine Haut gilt
als giftig.«
    Karl und Gaby schauten sich
noch eine Weile um.
    »Hier habe ich noch etwas, was
ich mitnehmen will.« Karl zog einen Band über die Höhle von Lascaux heraus.
»Die ist zwar in Frankreich, aber das Thema interessiert mich. — Die Höhle
wurde von Kindern entdeckt, die nach ihrem Hund suchten. An den Wänden fand man
Tierbilder aus der Steinzeit. Die Felsmalereien sind ungefähr 17 000 Jahre
alt.«
    »Das ist genau das Richtige, um
die Fantasie anzuregen. Wer weiß, was wir noch alles Enden, wenn Oskar mal so
richtig in Fahrt kommt und sein Jagdinstinkt geweckt wird!« Gaby klemmte sich
die Bücher, die für sie von Interesse waren, unter den Arm.
    Gemeinsam wollten sie den Raum
verlassen. Doch da sahen sie, dass auf einem kleinen Tisch neben der Tür
aufgeschlagen ein ledergebundenes Buch lag.
    Karls Aufmerksamkeit war sofort
geweckt. »Sieh mal, eine alte Karte — handgezeichnet!«
    »Das ist nichts für euch!«, kam
eine krächzende Stimme aus dem Dunkel einer Ecke.
    Gaby und Karl erstarrten. Sie
hatten gar nicht bemerkt, dass sie nicht allein waren. Urplötzlich stand ein
kleiner, klapperdürrer Mann mit grauem, strähnigem Haar in abgewetzten
Klamotten vor ihnen. Hastig riss er das auf dem Tisch liegende Buch
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