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Vom Alptraum verfolgt

Vom Alptraum verfolgt

Titel: Vom Alptraum verfolgt
Autoren: Carter Brown
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ERSTES KAPITEL
     
    E s ist doch eine Leichenhalle,
oder nicht ?« sagte Sergeant Polnik mit fester Stimme. »Wo sonst sollte man eine Leiche finden, wenn nicht hier ?«
    »Aber sie gehört nicht hierher !« Der kleine Mann mit den rosigen Wangen und den
tiefliegenden Augen zappelte vor Aufregung.
    »Sind Sie da ganz sicher ?« brummte Polnik skeptisch.
    »Lieber Himmel!« Die Stimme des
winzigen Leichenbestatters schnappte plötzlich vor Verzweiflung über. »Glauben
Sie vielleicht, ich würde sie nicht kennen, wenn sie eine meiner Kundinnen wäre ?«
    Ein heller Strahl der frühen
Morgensonne blendete mich unangenehm. Auf meiner Uhr war es erst fünf Minuten
vor acht. Und ich hatte immer gedacht, die einzige Art, Wheeler um diese Stunde
in ein Bestattungsinstitut zu befördern, sei die auf einer Bahre, die Füße
voran.
    »Lieutenant?« Polniks schwere Brauen zogen sich zu einem stacheligen
Gestrüpp zusammen. »Ich glaube, dieser Bursche ist ein Verrückter .«
    »Ein Leichenbestatter«,
korrigierte ich. »Aber ich glaube, das sind nur Gradunterschiede .«
    »Lieutenant Wheeler!« Der
kleine Mann schluckte schwer. »Wollen Sie jetzt einen Blick auf diese
unbekannte Leiche werfen, die jemand in mein Etablissement geschmuggelt hat,
oder wollen Sie den Rest des Morgens herumstehen und mir Beleidigungen an den
Kopf werfen ?«
    »Sie machen mir den Entschluß
wirklich schwer, Mr. Brenner«, sagte ich langsam, »aber um diesem gräßlichen Sonnenlicht zu entgehen, tue ich alles .«
    Einmal im Inneren, waren wir
von tiefer Düsternis umgeben, und mir wurde klar, daß die Sonne nicht die
geringste Hoffnung hegen konnte, Brenners dunkel getönte Fensterscheiben zu
durchdringen. Der frischen Luft ging es nicht besser, wie ich ein paar Sekunden
später feststellte, als eine Kombination aus abgestandenem Mief, Formalin und
etwas, von dem ich nur hoffen konnte, daß es Weihrauch war, in meine Nüstern
drang.
    »Im Ausstellungsraum«, brummte
Brenner und ging voran.
    Polnik blieb ein paar Schritte zurück. »Lieutenant!« Sein Flüstern klang wie das Geräusch,
das eine Kreissäge in einem knorrigen Tannenstamm verursacht. »Was für eine Ausstellung?«
    »Fragen Sie mich nicht«, sagte
ich schaudernd, »jedenfalls nicht vor dem Frühstück !«
    Brenner hielt eine Tür auf, und
es gelang uns, mit nicht allzu offensichtlichem Schlurfen über den purpurroten
Teppich zu gehen. Was für eine »Ausstellung« es im Ausstellungsraum gab, war
leicht zu erklären: Es gab Särge. Es mochten sich etwa ein Dutzend
verschiedenster Machart und unterschiedlichen Materials in dem Raum befinden.
Etwa die Hälfte stand auf Gestellen, die anderen lehnten aufrecht nebeneinander
an einer Wand.
    »Dort drin!« Brenner deutete
dramatisch auf einen schimmernden Sarg, der mit aufgeklapptem Deckel auf einem
Gestell lag. »Ich wußte gleich, daß etwas nicht in Ordnung war, als ich den
offenen Deckel sah — ich lasse nie einen Sarg so unordentlich herumstehen! Als
ich sah, was drinnen lag — «
    »-riefen Sie im Büro des
Sheriffs an«, sagte ich grimmig. »Ich bewundere Leute, die früh aufstehen,
unendlich, Mr. Brenner. Es war genau sieben Uhr morgens — ich hatte bereits
drei Stunden Schlaf hinter mir, als mich der Sheriff anrief !«
    »Und fünf nach sieben hat der
Lieutenant mich angerufen !« krächzte Polnik . Er starrte den kleinen Mann einen Augenblick lang
verbittert an. »Welcher Hafer sticht Sie denn, im Morgengrauen an die Arbeit zu
gehen? Können Sie denn nicht abwarten, bis Sie erfahren haben, wer in der Nacht
gestorben ist ?«
    »Hören Sie mal !« Die gesamten hundertsechsundfünfzig Zentimeter
Leichenbestatter zitterten vor Wut. »Noch nie — nie! — in meinem Leben bin ich
so beleidigt worden — «
    Seine Stimme ging plötzlich in
einem volltönenden Klang unter, der mit der erschütternden Endgültigkeit der
Glocke des Jüngsten Gerichts in meinem Kopf zu explodieren schien. Bevor ich
mich davon erholen konnte, ertönte er von neuem — und immer wieder — fünfmal,
bevor mein verwirrter Verstand begriff, daß die Großvateruhr in der einen Ecke
des Raums acht Uhr schlug. Als der letzte Ton verklungen war, fühlte sich mein
Kopf wie eine weiche, breiige Masse an.
    »Was haben Sie vor ?« fuhr ich Brenner an. »Sie wecken ja die Toten auf !«
    »—und beim Bürgermeister werde
ich mich ebenfalls beschweren!« Anscheinend hatte er angefangen, Polnik wegen seiner Bemerkung von vorher mit Repressalien
zu drohen, als die Uhr zu
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