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Das Band spricht Bände

Das Band spricht Bände

Titel: Das Band spricht Bände
Autoren: Carter Brown
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Satz fehlte. Ungefähr
zwei Monate zuvor war jemand hier eingebrochen, am Tag, während ich auf einer
Baustelle war. Es schien nichts von Belang zu fehlen, deshalb maß ich der Sache
damals keine weitere Bedeutung bei.«
    »Könnte es Chuck gewesen sein?«
    »Schon möglich.« Er fuhr sich
mit dem Handrücken über die Lippen. »Sie erinnern sich doch, daß ich Ihnen
erzählt habe, wie ich ihn verprügelte, seine Habe zerschlug, ihm fünf Dollar
gab und ihm sagte, er solle sich bei mir nie mehr blicken lassen?« Er wartete
meine Antwort nicht ab. »Das stimmte nicht ganz. Mit seinen Sachen, das ist
erst vierzehn Tage später passiert. Es gab da ein Heft mit Gedichten, die er
geschrieben hatte...« Seine Miene wirkte fast verlegen. »Ich hatte so etwas
noch nie in meinem Leben gelesen. Sie waren alle Alysia gewidmet. Der Junge war
ja irrsinnig in sie verliebt! Die Sexorgie war kein einmaliger Vorfall gewesen,
wie ich zuerst angenommen hatte. Das war laufend so gegangen, schon fast seit
unserer Heirat.« Er schüttelte bedächtig den Kopf. »Ich will Ihnen was sagen,
Danny — als ich diese Gedichte las, da überkam mich ein unheimliches Gefühl. Es
war, als könne ich in seine Seele blicken.«
    »Und nun meinen Sie, wenn er
sie dermaßen geliebt hat, dann kann er sie nicht umgebracht haben?« folgerte
ich.
    »Ja, so ist es wohl«, meinte
er. »Wie er sie geliebt hat, da scheint mir das einfach nicht möglich.«
    »Nehmen wir mal an, sie habe
aus irgendeinem Grund nichts mehr von ihm wissen wollen?« Ich zuckte die
Schultern. »Das könnte die Sache erklären.«
    »Vielleicht.« Er schien nicht
überzeugt. »Aber wenn ich damals gleich die volle Wahrheit gewußt hätte, wäre
ich wohl nicht so hart mit ihm umgesprungen.«
    Ich stellte mein Glas hin und
starrte ihn durchdringend an. Nach ein paar Sekunden wich sein Blick mir aus,
dann grinste er, und ich merkte, daß ihm nicht wohl in seiner Haut war.
    »Also, wie kann ich Ihnen
helfen, Freund Danny?«
    »Sie haben mit ihm gesprochen«,
sagte ich langsam. »Irgendwann zwischen unserem Gespräch heute früh und jetzt
haben Sie mit ihm gesprochen.«
    »Mit wem?« brummte er.
    »Mit dem verlorenen Sohn«,
schnauzte ich. »Und deshalb haben Sie mir jetzt den Bären mit den Gedichten
aufgebunden — und den Einbruch und den Diebstahl dieser Fotos.« Die
naheliegende Erklärung fuhr mir durch den Kopf. »Er mußte heute zu Ihnen
kommen, nachdem er Wayland erschossen hatte, weil er nämlich diese Fotos
unbedingt brauchte. Ohne sie konnte er nicht an Shari Wayland ran, stimmt’s?«
    »Ich habe keine Ahnung,
worüber, zum Teufel, Sie sich so aufregen«, schnarrte er. »Aber etwas anderes
weiß ich: Ich mag Sie plötzlich nicht mehr als Trinkkumpan.« Sein linker Arm
wischte über die Theke und fegte alles zu Boden, es klirrte und krachte ganz
schön, bis das letzte Glas in Trümmer gegangen war. »Ich gebe Ihnen genau fünf
Sekunden Zeit, sich aus meinem Haus zu scheren, Boyd«, sagte er verhalten.
    »Ich geh’ ja schon«, erwiderte
ich. »Aber richten Sie Chuck etwas von mir aus, ja? Sein Partner hat heute früh
etwas Falsches gesagt, und dem werde ich jetzt nachgehen, weil sein Partner
nämlich der schwächere Teil des Teams ist.« Ich grinste MacKenzie an. »Er soll
mal sehen, wie ich den auseinandernehmen werde.«
    »Sie haben noch ungefähr zwei
Sekunden Zeit«, knirschte er. j
    »Was hat er Ihnen denn für die
Fotos geboten, Charlie? Daß Sie jetzt Waylands Platz einnehmen könnten, da er
doch tot sei? Und das haben Sie ihm abgenommen, nicht wahr, Charlie? Ich
glaube, deshalb versuchen Sie sich selber auch so krampfhaft einzureden, er
könne Alysia nicht ermordet haben?«
    Aus tiefer Kehle drang ein
animalischer Laut, er packte die nächste volle Flasche vom Regal und kam hinter
der Bar hervor auf mich zu. Ich zog den .38er aus der Halfter. Das hielt ihn
auf; im allerersten, unangenehmen Augenblick glaubte ich freilich, es mache ihm
nichts aus.
    »Ich gehe jetzt, Charlie«,
sagte ich gelassen. »Und vergessen Sie nicht, Chuck schöne Grüße auszurichten!«
    »Wissen Sie was, Boyd?« Er spie
ein bißchen von dem Schaum, der ihm vor die Lippen trat, auf den Teppich. »Wenn
mein Sohn Sie nicht erwischt, dann komm’ ich selber und bring’ Sie um!«
    Das war ein Angebot, das ich
auf meinem Weg in die Nacht nicht so leicht vergessen durfte. Ich trug dem
Taxifahrer auf, mich zum nächsten Drugstore zu bringen und davor auf mich zu
warten. Ich rief Stangers Privatnummer an.
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