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Das Archiv

Das Archiv

Titel: Das Archiv
Autoren: Leo Frank
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Der Ober nickte und ging, und Mr. Cooper schob die Tasche Bill zu. Er öffnete den Verschluß: Sie enthielt ein Bündel Geldscheine und andere Papiere. »Wollen Sie nachzählen?« fragte Mr. Cooper. »Aber nein, nicht nötig.« Bill lächelte. »Herberts Freunde sind auch meine Freunde.«
    »Interessant für mich wäre«, plauderte Cooper leichthin, »wer nun dann an Ihrer Stelle erschossen und verbrannt worden ist in dieser Holzhütte Rossmaneks. Haben Sie eine Ahnung?«
    Bill trank sein Bier und meinte, daß er mehr als nur eine Ahnung habe. Einen Namen habe er und Paßdaten. »Und weil wir jetzt Freunde sind, will ich Ihnen eine kurze Geschichte erzählen. Mit Einschränkungen«, fügte er hinzu.
    »Die Vorgeschichte kennen Sie. Es war nach neunzehn Uhr, als ich hinkam. Die Tür stand offen. Ich ging hinein und knipste das Licht an. Ein toter Mann lag auf dem Holzboden. Er hatte ein Loch im Kopf und eine Pistole in der Hand. Aus der Pistole war nicht geschossen worden. Das alles hatte ich mir so ähnlich vorgestellt. Nur, es war ein ganz anderer, mir fremder Mann, der dort lag. Verstehen Sie?«
    Nur teilweise verstehe er das. Und wen er eigentlich dort liegend erwartet habe, wollte Cooper wissen. »Das werde ich Ihnen nicht sagen. Es ist eine sehr private Angelegenheit.«
    Bill sah auf die Rollbahn hinaus und dachte an seine Schulzeit. »Hier«, er griff in seine Hemdtasche und fischte einen Zettel heraus.
    »Der Tote hatte einen Fremdenpaß, ich hab mir die Daten aufgeschrieben. Sagt Ihnen der Name was?«
    »Miroslaw Slobodim«, las Cooper, »geboren am ersten April 1946 in Prag und so weiter. Doch ja, der Name sagt mir was. Er gehörte zu Oberst Kalinins Leuten. Da scheint ja dem Oberst was Arges passiert zu sein. Womöglich hatte der Mann dort auftragsgemäß gar nichts zu suchen und wurde von eigenen Leuten abgemurkst. So was kommt vor, sogar bei den Iwans.«
    Cooper schien keineswegs traurig zu sein und bestellte ein zweites Glas Sherry. »Und weiter?«
    »Da ist noch was. In seiner Rocktasche waren vier Seiten Carboplanpapier, klein zusammengefaltet. Mit einem Spiegel kann man leicht lesen, was darauf getippt wurde. Ich war selber erstaunt.« Bill fischte ein blaues Viereck aus seiner Brusttasche und warf es auf den Tisch. »Es ist der Bericht Hammerlangs über ein Gespräch mit Ihnen, Mr. Cooper.« Bill grinste so ordinär, als ob er schlüpfrige Witze erzählen würde. »Kann ich das Zeug haben?«
    »Aber natürlich, sogar kostenlos.«
    »Höchst interessant, ein Aktenvermerk über mein letztes Gespräch mit dem Polizeirat, sagen Sie. Sehr interessant.«
    »Ist es die Dicke vom Vorzimmer?«
    »Vermutlich.«
    Mr. Cooper steckte die Carbonpapiere in die Rocktasche und wurde immer vergnügter. »Weiter«, sagte er.
    »Nix weiter. Die Geschichte ist schon zu Ende. Den Rest kennen Sie ja. Ich hab dann – wie geplant – meinen Selbstmord verübt. Benzin und Wattebauschen in eine Plastikschüssel neben den Toten. Die Kerze angezündet, sie brannte fünfunddreißig Minuten. Da war ich schon im Taxi auf dem halben Weg zum Flugplatz. Ende.«
    »Nein«, sagte Cooper. »Bitte?«
    »Die Geschichte ist keineswegs zu Ende. Sie vergessen Oberst Kalinin. Er ist der einzige, der weiß, daß Ihre Selbstmordversion nicht stimmen kann. Der einzige außer uns beiden.«
    Bill sah wieder aufs Rollfeld hinaus.
    »Was geht mich dieser Oberst Kalinin an«, sagte er, »schließlich bin ich amtlich tot.« Es klang nicht überzeugend.
    »Oberst Kalinin ist ein Spitzenmann, Sie sollten ihn nicht unterschätzen. Was übrigens werden Sie jetzt tun?« hörte er den Cooper sagen. Bill sah aufs Rollfeld. Eine Maschine der Egypt-Airways startete gerade. Das Geräusch der Turbinen zerrte an seinen Nerven. Oberst Kalinin. Natürlich, der Regiefehler war passiert. Er mußte sich vorsehen. »Hört denn das nie auf?« murmelte er. Cooper hatte nicht verstanden. »Was also werden Sie tun?«
    Bill rief den Ober und bezahlte die Rechnung. Er gab ein gutes Trinkgeld, nahm die Ledertasche unter den Arm und stand auf.
    »Was ich tun werde? In zehn Tagen rufe ich Sie wieder an, Mr. Cooper.«
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