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 Das Abkommen

Das Abkommen

Titel: Das Abkommen
Autoren: Kyle Mills
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Mitarbeiter herumdrückten. Das Stockwerk, in dem ich arbeitete – das elfte – lag genau in der Mitte des Gebäudes. Hier wimmelte es nur so von Managern der mittleren Führungsebene, die etwa fünf Stockwerke zu niedrig arbeiteten, um zu wissen, was wirklich vor sich ging, und etwa drei Stockwerke zu hoch, um diese Ahnungslosigkeit einfach akzeptieren zu können.
    »Jetzt ist es so weit«, sagte Stan im Brustton der Überzeugung. »Jetzt kriegen sie uns, stimmt’s? Ich hab gehört, dass die Unternehmen sich zusammengesetzt und eine Kanzlei aus Deutschland beauftragt haben, die die Insolvenz abwickeln soll. Man erzählt sich, dass die Typen aus der Geschäftsführung Immobilien und anderen Kram auf Partnerschaften überschreiben und sich als Eigentümer eintragen lassen. Trevor, die holen sich ihre Abfindungen selbst. Und bevor das alles hier zusammenkracht, machen sie den Abflug.«
    Ich sah wieder zur Tür, wo mich vier Augenpaare anstarrten und auf eine Antwort warteten. Sie warteten darauf, dass ich ihnen sagte, an Stans Gerüchten sei nichts dran. Dass alles gut ausgehen würde. Ich schwieg.
    »Ich hab gehört, der Alte denkt darüber nach, einen Job bei Xerox anzunehmen«, sagte Stan, der immer noch versuchte, mich zu ködern.
    Der Alte, den er gerade erwähnt hatte, war Paul Trainer, der legendäre Vorstandsvorsitzende von Terra. Warum er so berühmt war, hatte ich bis jetzt noch nicht herausbekommen. Abgesehen davon, dass er die Angewohnheit hatte, Mitarbeiter selbst für das geringste Vergehen zu feuern, konnte ich absolut nichts Bemerkenswertes an ihm feststellen. Aber jeder andere war fest davon überzeugt, dass unser Boss brillante, bedeutende Dinge vollbracht hatte, und die Tatsache, dass niemandem auch nur ein einziges Beispiel dafür einfiel, verstärkte seine geheimnisvolle Ära noch. Ich hatte den Mann nur ein paarmal flüchtig getroffen, und wie alle einfachen Tabaksklaven war ich ihm kurz in den Hintern gekrochen und hatte mich dann aus dem Staub gemacht, bevor er mich feuern konnte, weil er mein Aftershave nicht riechen konnte oder ihm etwas anderes an mir missfiel. Trotzdem schien jeder auf meinem Stockwerk zu denken, er und ich würden in ständigem Kontakt miteinander stehen.
    »Da weißt du vermutlich mehr als ich, Stan.« Ich sah auf meine Uhr. »Ich muss weg. Besprechung.«
     
    Ich bin schon immer der Meinung gewesen, dass sich die meisten Leute in ihre entsprechende Familie und Spezies einordnen lassen, wenn man sich ihre Reaktion auf Begünstigte eines Trusts wie mich ansieht. Mein Chef, Chris Carmen, zum Beispiel war ein typischer Vertreter des Zweireihigen Aufgeplusterteten Bürohuhns. Genau genommen war er das ansehnlichste Exemplar dieser Spezies, das mir je über den Weg gelaufen war.
    »Tut mir leid wegen der Verspätung, Trevor«, sagte er, während er mit übertriebener Hektik in den Konferenzraum platzte, nur um beschäftigter zu wirken, als er es tatsächlich war.
    »Kein Problem. Es ist ja meine Schu…«
    »Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan.« Er ließ sich auf einen Stuhl fallen und rieb sich das Gesicht, als würde er dadurch seinen Kreislauf in Schwung bringen können. »Danny hat Grippe, und jetzt hat er Karen angesteckt. Ich bin erst Viertel vor sieben hier gewesen, und jetzt hinke ich eine ganze Stunde hinterher.«
    Außer durch sein prächtiges Federkleid unterscheidet sich das Zweireihige Aufgeplusterte Bürohuhn von anderen Spezies durch einen hoch bezahlten Job, eine sorgfältig gepflegte Märtyrermiene und die völlige Unfähigkeit, sich klar und deutlich auszudrücken. Carmen hatte Folgendes sagen wollen: »Ich habe mir heute Nacht von einem Kleinkind aufs Hemd kotzen und mich von meiner kranken Frau anschreien lassen, während dir schöne Frauen Weintrauben in den Mund gesteckt und mit Palmwedeln Luft zugefächelt haben. Wäre es zu viel verlangt, dass du morgens deinen Hintern mal rechtzeitig aus dem Bett hebst und pünktlich zur Arbeit kommst?«
    Ich gebe ja zu, dass ein mordsmäßiger Kater eine schlechte Entschuldigung dafür ist, eine Besprechung zu versäumen, aber ich hielt sein Leben gar nicht mal für so schlecht. Ich kannte seine Frau – sie war schön, intelligent und liebte ihn. Und ich ging davon aus, dass sein Kind aus dem gleichen Holz geschnitzt war.
    »Trevor, mir ist klar, dass wir ein Problem mit den Servern hatten und die Erstellung der Querverweise letzte Woche zum Stillstand gekommen ist. Aber wir liegen drei Wochen hinter den
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