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 Das Abkommen

Das Abkommen

Titel: Das Abkommen
Autoren: Kyle Mills
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Zehn-Achtundvierzigern und zwei Wochen hinter den Zehn-Dreiundfünfzigern zurück. Jetzt, wo die Server wieder in Betrieb sind, müssen wir wirklich alles versuchen, um den Rückstand aufzuholen. Schneeballeffekte und ein Chaos bei den Fünfundsechzigern wäre das Schlimmste, was uns jetzt passieren könnte …«
    Ich erspare Ihnen den Rest dieses Gesprächs und komme gleich zum richtig traurigen Teil: Mein Job ist nicht annähernd so interessant, wie er klingt.
    Ich war für die Computerisierung der zighundert Tonnen an geschriebenen Dokumenten zuständig, die die Tabakindustrie in ihrer langen Geschichte produziert hat. Das bedeutete, sie in ein digitales Format zu scannen, auf Fehler zu überprüfen, Querverweise und Hypertexte zu erstellen, mich um das Messaging zu kümmern und so weiter. Im Grunde genommen ging es darum, zweihundert Jahre Firmenpolitik, Gerichtsverfahren, Monopole und Tod in eine Form zu bringen, die es der dazu autorisierten Hand voll Leute möglich machte, Informationen schnell und gründlich abzufragen.
    Man erzählte sich den Witz, die Tabakindustrie habe schon so viele Lügen in die Welt gesetzt, dass sie ohne Hilfe von blitzschnellen Pentiums den Überblick verlieren würde. Der Witz war nicht komisch, entsprach aber der Wahrheit.
    Wie ich an diesen aufregenden Job gekommen bin? Die lange Antwort ist ein bisschen kompliziert, die kurze Antwort dagegen ganz einfach: Bei jemandem mit meiner Arbeitsplatzbeschreibung bestand die durchaus reelle Gefahr, über ein Dokument zu stolpern, das so belastend und erschreckend war, dass es die Tabakindustrie zerstörte und die Weltbevölkerung dazu brachte, mit einem Aufschrei der Empörung unisono die Glimmstängel auszudrücken. Allein schon der Gedanke daran war natürlich vollkommen lächerlich, aber unsere Geschäftsleitung hatte noch nicht begriffen, dass es rein gar nichts gab, was unseren ohnehin schon lädierten Ruf noch mehr beschädigen konnte.
    Angesichts der etwas abstrusen Vorstellungen, die das Management über unser Image in der Öffentlichkeit hegte, war ich der ideale Kandidat für den Job. Man ging von der Theorie aus, dass es für jemanden mit meiner Familiengeschichte undenkbar war, einen Skandal in der Firma aufzudecken.
    »Was meinen Sie, Trevor?«, fragte Carmen, während seine Finger nervös auf der Akte vor ihm herumtrommelten. »Ich würde ja sofort einspringen und Ihnen helfen, aber …« Seine Stimme verlor sich.
    Das war noch etwas, was Carmen an mir hasste. Ich hatte die höchste Sicherheitsfreigabe der Firma – vermutlich gute fünf Stufen über ihm. Er hatte ganz einfach keinen Zugang zu den Dokumenten, die er abrufen müsste, um mir zu helfen.
    »Machen Sie sich deshalb keine Gedanken, Chris, ich werde …«
    »Mr Barnett?«
    Beim Klang von Miss Davenports Stimme zuckten wir beide zusammen. Carmen hatte genauso viel Angst vor ihr wie ich.
    Ich drehte mich um und sah sie in der halb geöffneten Tür stehen. »Was gibt es, Miss Davenport?«
    »Ist Ihre Analyse des neuen Berichts der Gesundheitsbehörde fertig?«
    Ich kniff die Augen zusammen, als sich mein Magen schmerzhaft verkrampfte. Der Bericht lag halb fertig auf meinem Schreibtisch.
    »Die Vorstandssitzung ist morgen um zehn«, sagte sie warnend. »Die Forschungsabteilung hat ihren Bericht schon fertig, und ich habe gehört, dass die Rechtsabteilung heute Nachmittag so weit sein wird. Wenn Sie sie noch schlagen wollen, haben Sie nicht mehr viel Zeit …«
    Es war Firmenpolitik, dass die Abteilung, die ihren Bericht als Letzte abschloss, alle Berichte persönlich abliefern musste. Angesichts Paul Trainers Angewohnheit, den Boten zu erschießen, war das ein probater Anreiz, rechtzeitig fertig zu werden.
    »Ich arbeite daran«, log ich. »Danke, Miss Davenport.«

VIER
    Obwohl ich mich mit der Hälfte der von McDonald’s angebotenen Köstlichkeiten, einer Handvoll Tabletten mit Vitamin B und der bestialischen Menge von etwa dreieinhalb Litern Cola gestärkt hatte, wollte mein Kater einfach nicht weichen. Die einzige konkrete Wirkung meiner Spezialdiät waren so häufige Besuche der Toilette, dass sich die Leute auf meinem Stockwerk Sorgen über den Zustand meiner Prostata machten.
    Eigentlich hätte ich mein Leiden ignorieren, mich dahinterklemmen und meine völlig sinnlose Analyse des Berichts der Gesundheitsbehörde rechtzeitig vor Beginn der Vorstandssitzung morgen beenden sollen. Aber das Rennen gegen die Primadonnen aus der Rechtsabteilung hatte ich sowieso
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