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Das abartige Artefakt

Das abartige Artefakt

Titel: Das abartige Artefakt
Autoren: Christian von Aster
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Aufsässigkeit. Unsichtbar, aber doch allgegenwärtig. Und darum würde er die Augen offen halten und trank aus dem Krisenkrug.
    Auf dem Bier trieb dünner Schaum, der immer wieder neue Formen und Zeichen bildete, und der Verwalter wusste sie zu deuten.
    Es waren ausnehmend schlechte Zeichen.
    Was ihn allerdings nicht weiter verwunderte.
    Er hob den Blick und betrachtete mit leeren, teilnahmslosen Augen den Steinhauer, der in diesem Moment vor der gegenüberliegenden Wand auf eine Leiter stieg, um sich den Siegeln der ehrbaren Stämme zuzuwenden, die dort über dem niemals verlöschenden Kamin in den Stein geschlagen waren.
    Fels, Erde, Feuer und Stahl. Die letzten vier ehrbaren Stämme, seit Erz und Sand in Ungnade gefallen waren. { * } An der Felswand prangten ihre Symbole: der Menhir, der Hügel, die Flamme und der Amboss. Dazwischen gähnten zwei leere Flächen, von denen vor Zeitaltern schon Sandkörner und Axtblatt, die Zeichen von Erz und Sand, getilgt worden waren.
    Der Verwalter musste an die vergangenen Zeitalter denken, damals, als das Eherne Imperium noch auf sechs unzerrüttbaren Säulen, den kräftigen Schultern der sechs Stämme, geruht hatte. Als er selbst das Hammerzepter ergriffen hatte, waren zwei jener Säulen bereits geborsten gewesen. Und nun war unter seiner Herrschaft noch eine weitere gefallen.
    Der Steinhauer setzte den Meißel an und hob den Hammer. Als er begann, die Flamme aus dem Stein zu schlagen und das Zeichen des Feuerclans auszulöschen, schloss der Verwalter die Augen und verbarg sein Gesicht tief in seinem Krug.
    Das Eherne Volk mochte seinen Untergang abgewendet haben. Doch um welchen Preis? Ein weiterer Stamm war geächtet worden, eine weitere Säule geborsten. Krass Breitbart, der Häuptling des Feuers, hatte die Verschwörung des Neuen Stahls gegen die alte Ordnung angeführt. Er hatte das Volk der Zwerge verraten, die Herrschaft an sich reißen und sie alle unterjochen wollen.
    Doch er war gescheitert. Weil die Götter auf Seiten der Gerechten gewesen waren. Und weil der Hohepriester dem Großen Verwalter die Ankunft des Schicksalszwergs prophezeit hatte. Eine uralte Prophezeiung von der Art, wie der Verwalter sie sich gelegentlich von seinem obersten Priester erbat. Genau genommen war sie nicht älter gewesen als das Bier in seinem Krug. Aber im Mund des Hohepriesters reiften Worte schnell zu einem unglaublichen Alter heran. Seine Worte hatten fünf Zwerge zum Schicksalszwerg geformt, der das Eherne Volk retten sollte. Und es hatte funktioniert.
    Zumindest überwiegend.
    Denn im Zuge seiner Rettung hatte das Eherne Volk nunmehr einen weiteren seiner Stämme eingebüßt. Und nachdem der Häuptling des Feuers in seinem Wahn den Tod gefunden hatte, war sein gesamter Stamm hinter den Abgrund des Vergessens verbannt worden, an jenen Ort, wo die entzwergten Stämme ihr Dasein fristeten.
    Ein Häuptling trug die Verantwortung für seinen Stamm und ein Stamm die Verantwortung für seinen Häuptling. Das war nur eines der unumstößlichen Gesetze des Ehernen Imperiums.
    Das Bier des Großen Verwalters schmeckte schal. Und niemand sah das bittere Lächeln unter seinem Bart. Oh ja, er herrschte über das Eherne Volk, doch was war dieses Volk jetzt noch? Die Hälfte dessen, was es einst gewesen war. Früher einmal war es vollkommen gewesen, ein Abbild der Gottzwerge, ein Hammer, der die Welt und den Felsen formen sollte. Doch sein Stiel war zerbrochen und sein Kopf zerfressen vom Rost. Die Vollkommenheit war tiefer in die Erde gezogen und hatte die Zwerge in ihren Gängen zurückgelassen. Drei jämmerliche Stämme waren geblieben, während die anderen drei jenseits des Abgrunds lebten.
    In der Überlieferung der Zwerge kamen die Verwalter, unter denen Erz und Sand verbannt worden waren, nicht wirklich gut weg. So schlecht, dass er gar nicht wissen wollte, wie er in die Geschichte eingehen würde.
    Aber er würde nicht noch eine Niederlage erleben.
    Unter seiner Herrschaft würde das Eherne Volk nicht einen weiteren Zwerg einbüßen.
    Und wenn er sie alle festketten musste.
    Er würde das Eherne Volk in eine strahlende Zukunft führen.
    Notfalls auch gegen dessen Willen.
    Was immer irgendwelche Prophezeiungen auch sagen mochten. Hier wurde, verdammt noch eins, nicht untergegangen!
    Er schmetterte den Krug derart heftig auf den Tisch, dass der Steinhauer vor Schreck fast von der Leiter gefallen wäre.
    Das Bier spritzte über die Tischplatte, wo der Schaum aisgleich noch wirrere Bilder zu
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