Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das abartige Artefakt

Das abartige Artefakt

Titel: Das abartige Artefakt
Autoren: Christian von Aster
Vom Netzwerk:
war der Bart der Sitz der zwergischen Seele –, warteten die meisten Opfer darauf, erwischt und in eines der Verliese des Ehernen Imperiums geworfen zu werden.
    Bragk Nattergriff hatte das nicht vor.
    Behände öffnete er einen weiteren Lederzylinder, der an seinem rechten Oberarm festgezurrt war, und zog zwei dünne Metallstäbe hervor, die er gleich darauf unterhalb der Türscharniere ansetzte und sie mit einem kräftigen Ruck aushebelte. Dann griff er nach den Türen, hob beide, ohne das fallenbewehrte Schloss eines genaueren Blickes zu würdigen, aus den Angeln und legte sie auf einer Kiste in der Nähe ab.
    Dann wandte er sich dem Inhalt des Schrankes zu.
    Er stand wahrhaftig dem großen Borngroll gegenüber. Dem prächtigsten Hammer, den je ein Zwerg in der Hand gehalten hatte. Mit ihm waren die Nägel eingeschlagen worden, die die Welt zusammenhielten. Von ihm kündeten die ältesten Legenden. Er war der Einzige, der Wahre!
    Nattergriff war von Ehrfurcht erfüllt.
    Und noch von etwas anderem.
    Übelkeit.
    Übelkeit?
    Aber wieso, weshalb, wie konnte…
    Und dann roch er den unverwechselbaren stechenden Geruch. Und während ihm schummrig vor Augen wurde, erkannte er auch die dünne Schicht Fieskiespulver, mit der irgendjemand den Hammer bestäubt hatte.
    Aber das war unmöglich! Wer konnte das getan haben?
    Nattergriff spürte, wie ihm die Sinne schwanden. Kein Zwerg wusste von seiner Allergie. Als Schlüpfling wäre er beinahe daran gestorben, als er in eine Fieskiesgrube gestolpert war. Aber er hatte nie darüber gesprochen. Zu niemandem. Das Ganze war vollkommen unmöglich. Es konnte nicht sein… Wer hätte…?
    Der Meisterdieb streckte die zitternden Arme nach dem Hammer aus. Dann wurde es um ihn herum dunkel. Die Glimmpilze glitten ihm aus der Hand, und er taumelte zwei Schritte nach hinten, stolperte, verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden.
    Direkt auf die beiden ausgehebelten Türen.
    Mit einem lauten Knall schnellten die beiden Walzen des Bartschnappers nach vorn, erwischten seinen Bart und begannen ihn unbarmherzig einzudrehen.
    Zu diesem Zeitpunkt aber hatte der Erhabene Entwender bereits das Bewusstsein verloren…
     

INTERMEZZO
     
     
     
    Der Große Verwalter saß an der steinernen Tafel und starrte stumm in seinen Krisenkrug. Es gab nicht wirklich einen Grund dafür. Es gab keine Krise. Obwohl noch immer die Schatten der schlimmen Verheißungen vom nahenden Ende der Zwergenheit über den Gängen lagen, wurde das Imperium gegenwärtig von niemandem bedroht. Mit vereinten Kräften und mit Hilfe des Schicksalszwergs hatten sie das Verderben abgewendet.
    Doch dabei hatte sich in den Gängen vieles verändert. Das Imperium war nicht mehr das, was es einmal gewesen war. Vor einigen Schichten noch hatten er und der Hohepriester die Geschicke des Ehernen Volkes gemeinsam und im Namen der Götter gelenkt. Doch das war ein für alle Mal vorbei. Denn die Götter hatten den Hohepriester verlassen.
    Davon aber wusste das Volk nichts. Und es war besser, wenn es auch nichts davon erfuhr. Nun lastete die gesamte Verantwortung für das Imperium auf den Schultern des Großen Verwalters. Und sie lastete schwer. Denn einst hatten die Götter den Verwalter dazu bestimmt, in ihrem Namen über das Eherne Volk zu herrschen. Und wenn sie irgendwann wiederkehrten, würden sie von ihm Rechenschaft verlangen.
    Und darum würde er alles Nötige tun, um die Sicherheit des Imperiums zu gewährleisten.
    Notfalls auch gegen den Willen seines Volkes.
    Er hatte längst begriffen, dass er niemandem trauen konnte. Dass der Verrat in dunklen Stollen lauerte. Man zweifelte an seinen Entscheidungen, flüsterte hinter vorgehaltener Hand, und mancher Zwerg hätte lieber dem Schicksalszwerg als seinem rechtmäßigen Herrn gedient.
    Doch der Verwalter war nicht dumm. Er wusste, von wem die größte Gefahr ausging. Darum hatte er dafür gesorgt, dass der ehemalige Hohepriester ruhig gestellt wurde. Seit einigen Schichten schon hing der Höchste der Hohen in seinen Gemächern an einer Pfeife Steinschmauch, die nie verlöschen würde, solange der Verwalter es nicht wollte. Er hatte den Priester betäubt und ihn in den schillernden Abgrund der Sucht hinabgestoßen.
    Nun würde niemand mehr dem Großen Verwalter seine Macht streitig machen. Das Imperium gehörte ihm. Sein Wille formte die Gänge. So, wie die Götter es einst verfügt hatten…
    Im Dunkeln aber wuchs unterdessen eine neue Bedrohung heran. Ungehorsam, Verrat und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher