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Darf ich Dir vertrauen

Darf ich Dir vertrauen

Titel: Darf ich Dir vertrauen
Autoren: Christine Flynn
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Fernseher über der Bar, der Neonreklame und einem neuen Spiegel hinter dem Tresen hatte Mike’s Pub sich vermutlich kaum verändert, seit Michael Patrick Shannahan ihn vor hundert Jahren aufgemacht hatte. Vier Generationen und vier Michael Patricks später hingen noch immer Spitzengardinen an den Fenstern. Nischen aus dunklem Holz säumten die Wände, ein Dutzend alter Barhocker den langen Tresen mit der Messingstange, an dem die Gäste nicht nur ihr frisch gezapftes Bier, sondern auch das Verständnis des Barmanns für ihre Probleme bekamen.
    Madisons Augen hatten sich noch nicht an das Halbdunkel gewöhnt, als die Männer an der Bar sich zu ihr umdrehten. Wenn sie sonst zurückkehrte, wimmelte es im Pub von Hafenarbeitern, die Frühschicht gehabt hatten und sich auf dem Heimweg ein kühles Bier gönnten. Da sie heute früher kam, waren nur Ernie Jackson und Tom Farrell da.
    „Hi, Madison.“ Ernie schenkte ihr ein zahnloses Lächeln. „Bist früh dran.“
    „Wie geht’s, Ernie?“ erwiderte sie automatisch.
    „Kann nicht klagen“, sagte er und wandte sich wieder seinem Glas zu, vor dem er vermutlich seit dem Mittag saß.
    Tom, der vor kurzem in Rente gegangen war, prostete ihr mit seinem Kaffeebecher zu. Wahrscheinlich war er vor seiner Frau hierher geflüchtet. Von Grandma Nona wusste Madison, dass Mrs. Farrell, mit der er seit dreiundvierzig Jahren verheiratet war, ihn am Abend seines letzten Arbeitstages mit einer meilenlangen Liste von Aufgaben begrüßt hatte.
    Mike stand hinter dem Tresen und zeigte mit einer Kopfbewegung auf eine Nische in der Nähe des Eingangs. Mit rotbraunem Haar, grünen Augen und seinem ansteckenden Lächeln war Michael Patrick V durch und durch irisch. Heute jedoch lächelte er nicht, und in seinem breiten Gesicht spiegelte sich nichts als Neugier.
    „Da wartet jemand auf dich“, sagte er.
    „Danke“, murmelte sie und warf einen Blick über die Schulter.
    Hätte sie Cords Wagen nicht gesehen, wäre sie über die Außentreppe in ihre Wohnung gegangen, um allein mit der Zukunftsangst fertig zu werden. Aber so straffte sie die Schultern und ging zu dem Mann, der sich von seiner Bank erhob.
    Unter anderen Umständen hätten seine guten Manieren ihr vielleicht imponiert.
    Im Moment war sie zu aufgebracht, um es zu registrieren. Cord Kendrick wirkte in dieser Arbeiterkneipe so deplaziert wie sein Wagen auf der Straße davor. Sie wünschte, sie wäre ihm nie begegnet. Ihr ganzes Leben drehte sich um ihr Geschäft. Sechzehn Stunden am Tag, sechs Tage in der Woche. Bei der Vorstellung, es aufgeben zu müssen, wurde ihr fast übel.
    Sie hielt ihm die Schlüssel des Lieferwagens hin. „Danke.“
    „Hat es mit dem Lieferwagen geklappt?“ fragte er, anstatt sie zu nehmen.
    „Ich habe meine Runde geschafft.“
    „Dann behalten Sie ihn, bis der neue Imbisswagen geliefert wird. Darüber wollte ich mit Ihnen reden“, sagte er und lud sie mit einer Handbewegung ein, sich zu ihm zu setzen. „Ich habe keine Ahnung, was für einen Sie wollen, also sollten Sie ihn selbst ordern.“
    Madison spürte die Blicke der Männer an der Bar und ließ sich auf den grünen Kunststoffbezug sinken. Als Cord ihr gegenüber Platz nahm, stießen seine Knie gegen ihre.
    „Entschuldigung“, murmelte er mit einem verlegenen Lächeln, das die Herzen der meisten Frauen zum Schmelzen gebracht hätte.
    Sie erwiderte es nicht, sondern beobachtete, wie er sein Bierglas zur Seite schob.
    Er hatte noch nicht daraus getrunken.
    „Was soll ich tun?“
    „Sagen Sie mir, wo Sie den Wagen bestellen wollen.“ Er beugte sich vor und senkte die Stimme. „Ich werde dem Händler schreiben. Außerdem muss ich Ihnen die verlorenen Vorräte und die entgangenen Einnahmen ersetzen. Ihr Wagen steht auf einem Schrottplatz ein paar Meilen von hier. Ich habe dem Betreiber gesagt, dass er nichts damit machen soll, bevor Sie mit ihm gesprochen haben. Ich weiß nicht, ob Sie noch etwas daraus bergen wollen. Ich habe nur das hier herausholen können.“
    Er
    nahm ihre
    Sonnenbrille
    aus der
    Innentasche
    seiner
    wunderschön
    geschnittenen Lederjacke. Zusammen mit seinem Scheckbuch. Und der Kugelschreiber sah verdächtig nach echtem Gold aus.
    „Danke.“ Sie nahm die Brille. Dass sie noch heil war, erstaunte sie. Genau wie der Mann vor ihr. Noch vor ein paar Stunden hätte sie gewettet, dass er sie ohne mit der Wimper zu zucken im Stich lassen würde. Jetzt musste sie zugeben, dass er alles tat, um ihr zu helfen.
    „Ich weiß
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