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Daphne - sTdH 4

Daphne - sTdH 4

Titel: Daphne - sTdH 4
Autoren: Marion Chesney
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den hohen Toren von The Hall vorbei, wo
ihr Onkel, Sir Edwin Armitage, mit seiner kalten Frau und seinen
naiven Töchtern lebte. Dahinter wand sich die Straße über das Flüßchen Blyne.
Es gurgelte und plätscherte über glatte runde
Steine und zwischen großen Schilfbänken hindurch – das einzige muntere Ding an
diesem verschlafenen, friedlichen Morgen.
    Weiter ging
Daphne, vorbei an dem mit Fensterläden verschlossenen Haus von Lady Wentwater.
Sie war schon seit über zwei Jahren
nicht mehr im Dorf, und es ging das Gerücht, daß ihr Neffe, ein ehemaliger
Sklavenhändler, nach Amerika gegangen war. Es hieß auch, daß Sir Edwins Tochter
Emily immer noch auf seine Rückkehr wartete.
    Daphne trat
aus dem Schatten der Bäume, die Lady Wentwaters Besitz umstanden, heraus und
konnte nun das lange Band der Straße, die zur Kreuzung führte, überblicken.
    Ihr stockte
das Herz vor Schreck.
    In der
Falle des Pfarrers steckte aufrecht eine leichte Kutsche, und neben der Straße
lag eine regungslose Gestalt. Die Pferde hatten sich
offenbar befreien können und standen in der Nähe herum.
    Daphne raffte ihre Röcke
und rannte, so schnell sie konnte, zu der am Boden liegenden Gestalt. Zum
zweiten Male sah sie ihren Vater vor ihrem geistigen Auge an einem Seilende
baumeln.
    Es stellte
sich heraus, daß die Gestalt ein Mann war, ein großer Mann. Er war von Kopf bis
Fuß mit Morast und Wasser bespritzt. Sein Gesicht war ganz mit Schlamm bedeckt.
    Daphne
kniete neben ihm nieder und legte seinen Kopf vorsichtig in ihren Schoß. »Sei
nicht tot«, flüsterte sie. »Bitte, sag etwas.«
    Eine große
Träne rollte an ihrer Nase entlang und fiel auf das schmutzbedeckte Gesicht in
ihrem Schoß.
    »Herr
Bischof«, sagte Daphne laut betend. »Es war ein sehr schlimmes Vergehen. Sagen
Sie doch bitte, daß Sie am Leben sind, so daß Sie uns verzeihen können.«
    Plötzlich
öffneten sich die Augen des Mannes, und er starrte gerade hinauf
in Daphnes Gesicht.
    »Gott sei
Dank!« schluchzte Daphne, zog ein zartes, parfümiertes Tüchlein heraus und
versuchte, etwas Schlamm aus seinem Gesicht zu wischen. Der Mann richtete sich
mühsam auf, und Daphne kniete sich auf die Fersen und blickte ihn ängstlich an.
    Ihre
dunklen Locken hatten sich aus dem Band gelöst und hingen um ihr Gesicht. Ihre
großen Augen waren schwarz und flehend.
    »Bitte,
geben Sie mir Ihren Segen«, bat sie.
    »Aber gewiß
doch«, sagte der Mann noch ganz benommen. Er musterte ihr Gesicht ein paar
Augenblicke lang und begann dann zu lächeln. Dabei blitzten seine Zähne in dem
schlammverschmierten Gesicht strahlend weiß.
    Er lehnte
sich nach vorne, faßte Daphne geschickt um die Taille, und bevor sie überhaupt
erfassen konnte, was er vorhatte, hatte er sie schon in seine Arme gezogen und
küßte sie rückhaltlos. Daphne wehrte sich mit panischer Angst; sie hatte Angst
vor der unerklärlichen Glut, die ihren Körper überflutete, vor der männlichen
Kraft seiner Arme, vor den zarten Stoppeln seines Kinns...
    Als er sie
losließ, sprang sie auf und rieb sich den Mund mit dem Ärmel ihres Kleides ab.
    Er richtete
sich ebenfalls auf, was ihm sichtliche Mühe bereitete, und blickte auf Daphne
herab.
    Daphne
holte tief Atem. »Wie können Sie es wagen...«
    Der Schock
und die Empörung ließen sie den Rest ihres Ausrufs verschlucken. Sie bekam
einen leichten Klaps auf den Hintern.
    »Lauf«,
sagte der schmutzbedeckte Gentleman, »und hol Hilfe.«
    Daphne
schnappte nach Luft; vor Wut brachte sie kein Wort heraus.
    Schließlich
fand sie die Sprache wieder. »Sie, Herr Bischof, sind eine Beleidigung für den
geistlichen Stand.«
    »Inzucht«,
murmelte der Gentleman vor sich hin. »Nein«, sagte er dann ganz freundlich.
»Ich bin kein Bischof. Bischöfe sind ganz selten. Du darfst nicht glauben, daß
jeder Herr, der dir begegnet, ein Bischof ist, weißt du.«
    »Aber Sie
müssen der Bischof sein!« heulte Daphne. »Mein Vater, der Pfarrer, hat diesen
Graben extra für den Bischof gegraben!«
    Der große
Herr schaute auf sie herunter, seine bernsteinfarbe nen Augen waren voller
Mitleid. »Schon gut, mein Kind«, sagte er. »Ich komme auch allein zurecht.«
    Eine
Tragödie, dachte er. So ein schönes Mädchen. Man sollte ihr nicht erlauben,
ohne Pflegerin in der Gegend herumzulaufen.
    »Oh, Sir«, keuchte Daphne. »Wer
sind Sie?«
    »Mein Name
ist Garfield, Simon Garfield, zu Ihren Diensten.«
    »Gut, Mr.
Garfield, Sie müssen mir zuhören. Sehen Sie, ich würde Ihnen ja gern
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