Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Daphne - sTdH 4

Daphne - sTdH 4

Titel: Daphne - sTdH 4
Autoren: Marion Chesney
Vom Netzwerk:
danach wurde er violett und dann purpurrot.
Eines nach dem anderen gingen die Lichter in den Bauernhäusern an; hinter den
dicken Fensterscheiben flackerten sie gelblich-rußig.
    Als sie
sich der Kreisstadt Hopeminster näherten, wurden die Häuser zu beiden Seiten
der Straße zahlreicher. Die Kutsche rumpelte über das Kopfsteinpflaster der
stillen Straßen und wieder hinaus aus der Stadt auf die Landstraße, die zum
Dorf Hopeworth führte.
    Daphne
befand sich in vollem Einklang mit der Welt. Sie brauchte sich jetzt nicht mehr
vor der Saison zu fürchten oder davor, daß ihrem Vater plötzlich das Geld
ausging und er sie mit dem erstbesten Mann, der reich war, verheiratete. Cyril
Archer paßte wunderbar in ihre Pläne. Er ergänzte sie perfekt. Er sagte nie irgend
etwas Aufregendes oder Kluges; genaugenommen sagte er selten überhaupt etwas.
Bevor sie abreiste, hatte er sie geküßt; aber es war ein keuscher Kuß auf die
Stirn gewesen.
    Er schien
wie ein schöner Engelbarsch durch diese geheimnisvolle Welt derer, die den Ton
angeben, zu gleiten, durch eine Welt voller Wörter, die man entweder unbedingt
kennen oder unbedingt vermeiden mußte. Es war, als ob er im Almack geboren
wäre und seine ersten Zähne in der Oper bekommen hätte. Nicht so sehr seine
Intelligenz als sein Instinkt befähigte ihn, sich in jeder Situation korrekt zu
benehmen und sich wie ein eleganter Tänzer in einer komplizierten Quadrille
durch die Salons des West End von London zu bewegen.
    »Oder wie
Theseus im Labyrinth«, sagte Daphne und war sich gar nicht bewußt, daß sie laut
sprach.
    »Was!« fuhr
Lady Godolphin auf.
    »Ich wußte
nicht, daß Sie wach sind«, sagte Daphne, setzte sich kerzengerade auf und
stellte ihre Füße sittsam nebeneinander auf den Boden. »Ich sagte, wie Theseus
im Labyrinth. Auf Kreta, Sie wissen schon.«
    »Mag sein«,
knurrte Lady Godolphin und schüttelte ihren Kopf so heftig, daß ihr der Turban
über ein Auge rutschte.
    Die Kutsche
kam mit einem plötzlichen Ruck zum Stehen.
    »Wir können noch nicht da sein!«
rief Lady Godolphin aus. Sie streckte
ihren Kopf aus dem Fenster. »Was ist los?«
    »Ich weiß
es nicht, Mylady«, kam die Stimme des Kutschers, »aber wir holen besser die
Pistolen raus. Da vorne bewegen sich Lichter. Hoffentlich keine Straßenräuber.«
    »Nicht in
der Nähe von Hopeworth«, sagte Daphne ruhig. »Papa würde es nicht zulassen.«
    Sie hörten
jemanden rufen.
    »Jemand
kommt auf die Kutsche zu, Mylady«, kam wieder die Stimme des Kutschers.
    Lady
Godolphin griff in die Tasche an der Wagentür und zog eine handliche Pistole
heraus.
    »Hab keine
Angst, Daphne«, sagte Lady Godolphin mit zitterndem Unterkiefer. »Sie werden
uns nicht anrühren. Hör doch um Himmels willen auf, an deinem Hut
herumzufummeln, du dumme Göre.«
    Lady
Godolphin war eine entfernte Verwandte der Armitages und hatte bei der
Verheiratung der drei älteren Töchter eine wichtige Rolle gespielt. Sie liebte
alle Armitage-Mädchen, aber sie konnte sich nicht helfen, Daphne empfand sie
irgendwie als Enttäuschung.
    Sie hatte
keinen Charakter.
    Aus dem
kleinen Wildfang war eine bezaubernde Schönheit geworden, aber leider
beschäftigte sich Daphne fast ausschließlich mit sich selbst. Ein hoffnungsvoller
Gedanke schoß Lady Godolphin durch den Kopf.
    »Geht der
junge Archer auf die Jagd?« fragte sie.
    Daphne
betrachtete gerade eingehend ihr Spiegelbild in einem Stahlspiegel, den sie aus
ihrem Ridikül gezogen hatte.
    »O nein«,
sagte sie teilnahmslos. »Er haßt Blutvergießen.«
    »O Gott!«
bemerkte Lady Godolphin düster. »Man kann es drehen und wenden, wie man will.
Männer sind nun mal ein Haufen Follikel. Ich für mein Teil habe sie
aufgegeben. In der Fastenzeit habe ich diesen Entschluß gefaßt, und seitdem
bin ich standhaft geblieben.«
    »Ja?« sagte
Daphne und zupfte sich eine Locke zurecht.
    »Das
Schminken habe ich ebenfalls aufgegeben.«
    »Ich habe
es bemerkt«, sagte Daphne mit ungewöhnlicher Anteilnahme. Bei sich dachte sie,
daß Lady Godolphin ohne ihre übliche Maske aus weißer Schminke und Rouge viel
jünger aussah.
    Sie sah aus
wie eine sauber geschrubbte Bulldogge. Ihr massiges Gesicht war faltig vor
Kummer, und ihre Mundwinkel wiesen nach unten.
    »Macht es
Sie nicht glücklich, daß ich einen passenden jungen Mann gefunden habe?« fragte
Daphne schließlich und legte den Spiegel beiseite.
    »Ja und
nein. Fest steht, daß er ein Langweiler ist. Das ist es, was mich an ihm
stört.«
    »Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher