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Dann gib ihm die Axt

Dann gib ihm die Axt

Titel: Dann gib ihm die Axt
Autoren: A. A. Fair
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»Telegramme kosten Geld.«
    Aber selbst das zog bei ihr heute nicht. »Ein Brieftelegramm hättest du schon spendieren können. Die sind um die Hälfte billiger. Da kommst du so mir nichts, dir nichts hereingeplatzt und —«
    Bertha verstummte. Sie starrte auf die Milchglasscheibe in der Tür zum Gang.
    Dort zeichneten sich Kopf und Schultern einer weiblichen Gestalt ab, einer eleganten, schlanken, offensichtlich jungen Frau mit schräg gelegtem Kopf. Ob sie von Natur aus einen schiefen Hals hatte oder ob sie horchte, war von uns aus nicht auszumachen.
    »So ein Pech«, sagte Bertha halblaut. »Immer erwischen mich die Klienten im Vorzimmer. Das macht keinen guten Eindruck. Sieht aus, als ob wir nichts zu tun hätten.«
    Sie griff sich einen Stapel Briefe von Elsies Schreibtisch und begann, mit wichtiger Miene darin herumzublättern.
    Aber die Besucherin kam nicht herein.
    Die Sekunden dehnten sich. Noch immer stand der Schatten vor der Milchglasscheibe. Dann verschwand er. Wir hörten, wie sich Schritte durch den Gang entfernten.
    Bertha warf entmutigt die Briefe wieder auf den Schreibtisch. »Da haben wir's. So ist es in letzter Zeit immer. Die Person geht sicher ein paar Türen weiter, zur Detektei Atlas. Bei denen wird sie sich ausweinen.«
    »Nicht gleich die Flinte ins Korn werfen, Bertha«, tröstete ich. »Vielleicht hat sie nur Angst vor ihrer eigenen Courage bekommen. Dann kreuzt sie wieder auf.«
    »Irgendwie hat ihr was an unserem Büro nicht gepaßt«, knurrte Bertha. »Sie hat es sich im letzten Augenblick anders überlegt. Vielleicht hat sie kein Zutrauen zu einem Laden, bei dem es im Vorzimmer zugeht wie bei einem Kaffeekränzchen. Setz dich wieder an die Maschine, Elsie. Und du kommst mit in mein Büro, Donald. Wenn sie wiederkommt, Elsie, mußt du schnell schalten. Der Typ wartet nicht gern. Sie wird sich hinsetzen, gleich wieder aufspringen, so tun, als ob sie was vergessen hätte, und mit fliegenden Fahnen das Lokal verlassen. Damit sind wir sie dann endgültig los. Sie trägt einen kleinen Hut schräg auf dem Kopf und —«
    »Ich habe sie mir gut angesehen«, unterbrach Elsie.
    »Also schön. Sobald sie kommt, sag mir Bescheid, ohne lange zu fackeln. Mehr kann ich auch nicht tun. Ich kann mir ja meine Klienten schließlich nicht von der Straße holen. Wenn ich eins nicht verstehe, ist es Entschlußlosigkeit. Drauf und 'ran — das ist mein Motto. Und damit bin ich bisher sehr gut gefahren. Komm, Donald! Halte Elsie nicht länger von der Arbeit ab.«
    Elsie Brandt warf mir einen belustigten Blick zu und beugte sich über die Tasten.
    Bertha ließ sich in ihren Drehstuhl fallen, der wie eh und je quietschend protestierte. Ich setzte mich auf die Lehne eines dicken Klubsessels.
    Bertha musterte mich. »Du hast ganz schön ausgelegt, Donald.«
    »Tja, was so ein bißchen körperliche Ertüchtigung ausmacht...«
    »Was wiegst du jetzt?«
    »Hundertzwanzig.«
    »Sag mal, bist du auch gewachsen?«
    »Das wohl nicht, aber in den letzten achtzehn Monaten habe ich ziemlich häufig mein tägliches Steak durch stramme Haltung ersetzen müssen.«
    Einen Augenblick war es still im Raum. Bertha horchte mit einem Ohr ins Vorzimmer hinaus. Aber das Schreibmaschinengeklapper ging ununterbrochen weiter.
    »Sauregurkenzeit?« fragte ich.
    »Saurer geht's schon nicht mehr«, stöhnte Bertha.
    •»Weshalb? Woran hängt's denn?«
    »Wenn ich das wüßte! Als ich den Laden allein führte, buk ich ganz beschaulich meine kleinen Brötchen. Ich schlug mich so recht und schlecht mit kleinen Fällen durch. Beobachtungen für Scheidungssachen, Ermittlungen für mißtrauische Ehemänner, Familienkram — ich machte alles, was die anderen Detekteien nicht haben wollten. Und dann tauchtest du auf. Mit einem Schlag kam Leben in die Bude. Es gab mehr Geld, mehr Risiko, mehr Aufregung, mehr Klienten. Eines Tages fand Väterchen Staat, daß so ein fixer Bursche wie du auch in Südostasien für besonders knifflige Jobs gut zu gebrauchen wäre, und ich stand wieder allein da. Eine Weile lief alles noch wie geschmiert. Aber seit einem Jahr ist der Wurm drin. Seither habe ich keinen einzigen lohnenden Fall mehr gehabt.«
    »Kommen denn keine Klienten mehr?«
    »Kommen tun sie schon, aber irgendwie kriege ich keinen Kontakt zu ihnen. Nach meiner Pfeife tanzen sie nicht, und deine Masche kann ich nicht häkeln. Es ist ein richtiges Dilemma.«
    »Was meinst du mit meiner Masche?«
    »Schau dir den Sessel an, auf dem du hockst«, sagte
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