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Dann fressen sie die Raben

Dann fressen sie die Raben

Titel: Dann fressen sie die Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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nicht erwarten, dass sich alle Welt mordsmäßig freut, wenn ich aufkreuze und ihre Pläne durcheinanderbringe, oder? Ich schaue mich in der Klasse um und überlege, wer von ihnen mit Lina befreundet ist. Nachher werde ich Gretchen darüber ausfragen, denn Frau Paul sieht so aus, als würde sie mächtig sauer werden, wenn ich ihren Unterricht noch einmal störe.
    Als es endlich zur Pause klingelt, werde ich in Sekundenschnelle von jeder Menge Mädchen umringt, die alle wissen wollen, wie es der armen Lina geht. Aber Gretchen verscheucht sie und bahnt mir den Weg durch das Schulgebäude.
    »Dafür hast du später noch Zeit. Jetzt zeige ich dir erst mal alles, okay? Also, wir haben hier AGs, die wir Klubs nennen. Das klingt einfach besser. Du musst mindestens einen belegen, wobei du dich zwischen fünf entscheiden kannst. Man kann auch selbst einen gründen, aber das kommt für dich ja wohl eher nicht infrage.« Das spult sie so schnell ab wie die Verkäufer bei Starbucks, bei denen ich Landei auch nie mitbekomme, was sie meinen: Latte mit oder ohne fettarmer Milch, mit Creme-Caramel- oder Blaubeergeschmack, mit oder ohne Koffein, großer oder kleiner Espresso, doppelt oder einfach geschäumt oder nur heiß …
    »Und in welcher AG hat Lina mitgemacht?«
    Gretchen zieht ihre linke Augenbraue hoch. »Du hast also keine eigenen Präferenzen?« Sie seufzt. »Klar, das kenne ich nur zu gut von meinen jüngeren Schwestern. Die sind auch zu nichts nutze und klauen nur meine Klamotten aus dem Schrank.« Sie hält inne und schaut mich entsetzt an. »Ich weiß auch nicht, was heute mit mir los ist, ich meine das gar nicht so, wie es für dich vielleicht klingt.« Sie geht weiter. »Also, als einer der ersten Klubs wurden die Alpha-Tiere gegründet . Die engagieren sich sozial, besuchen Altersheime, lesen benachteiligten Kindern vor oder helfen bei der Münchner Tafel mit. In dem Klub war Lina bis vor Kurzem und dein cooler Stiefbruder ist immer noch drin.« Sie dreht mir den Kopf zu. »Oder sagt man Halbbruder?«
    »Stiefbruder«, murmele ich und versuche, mir Alex bei den Alphatieren vorzustellen, was mir nicht so recht gelingen will. Der Fluch engagiert sich sozial, so wie sein Vater? Merkwürdig.
    »Dann haben wir die Beta-Tiger, die machen Hip-Hop, die Gamma-Einsteins, die forschen, aber wenn du mich fragst, ist das der Klub der Supernerds. Bleiben noch unsere Psi-Sterne. Wir haben im Netz eine Astroseite, mit der wir richtig Schotter für die Schule verdienen. Lina ist zu uns gewechselt, als sie bei den Alphatieren raus ist. Lass mich mal überlegen, hab ich was vergessen? Nein, ich glaube nicht.«
    Während sie all das im Stakkatotakt von sich gibt, rennt sie mit mir durch die Schule und reißt ab und zu eine Tür auf, um in einen leeren Raum hineinzudeuten. »Alles klar?«
    Nein, denke ich, gar nichts ist klar. Das geht viel zu schnell.
    »Gut, dann zeige ich dir noch unsere neue Mensa. Ach ja«, Gretchen schlägt sich auf die Stirn. »Natürlich gibt’s noch die Kochgruppe, die hätte ich fast vergessen, die Omega-Fettis .« Sie lacht und schaut mich prüfend an, ich ringe mir ein Lächeln ab, obwohl ich keine Ahnung habe, was daran lustig sein soll.
    »In Wahrheit heißen die natürlich die Omega-Chilis, aber so nennt sie keiner. Wenn du einen von ihnen triffst, wirst du sehen, dass Omega-Fettis viel besser passt. Ich war auch mal bei einem Treffen bei denen, weil mein Vater ein paar Pizzerien hat und ich dachte, Kochen wäre was für mich, aber das war ein Irrtum.« Sie hält kurz inne und mustert mich mit kritischem Blick. »So wie ich dich einschätze, könntest du gut zu den Gamma-Einsteins passen . Hast du nicht bei Jugend forscht sogar schon mal etwas gewonnen? Hat Lina jedenfalls behauptet.«
    Das trifft mich mitten ins Herz, Lina hat ihr davon erzählt? Mit mir hat sie nie darüber gesprochen.
    Atargatis hieß mein Projekt, Atargatis ist eine syrische Göttin, deren Symbol der Granatapfel ist. Ich habe untersucht, ob das Einnehmen von Granatapfelsud das Immunsystem verbessern kann. Und dafür habe ich im Frühjahr vor einem guten Jahr den zweiten Preis im Bereich Biologie gewonnen. Pa war so stolz auf mich, dass er mir einen wunderschönen Granatring geschenkt hat, den ich seitdem nie mehr abgelegt habe. Auch wenn mich der Ring ein bisschen an Merlin erinnert, denn kurz nach dem Projekt sind Merlin und ich ein Paar geworden. Aber nur bis zum Sommer, denn Lina hat die Sommerferien bei Pa und mir verbracht und

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